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Schaumgebremste Politik

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Der Föderalismus gehört zum politischen Stehsatz der Republik Österreich. Der Widerstreit zwischen der Zentralgewalt und den oft sehr eigenwilligen Bundesländern zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von 1918 bis 1968. Er wird uns sicher auch in den nächsten Jahrzehnten erhalten bleiben. Allzu fließend sind die Grenzen zwischen dem gesunden Behauptungswillen der Bundesländer und einer schädlichen Kirchturmpolitik.

Wer Österreich will, der muß auch die Bundesländer wollen. „Die Länder waren da, hatten festumrissene G renzeh, ein politisches Sfelbst- bewußtsein der Landesbewohner und eine historische Tradition”, schreibt der Historiker Walter Goldinger über die Entstehung der Republik, „sie erwiesen sich als das Bleibende im Ablauf der wechselvollen österreichischen Geschichte.” Tatsächlich: Österreich konnte nicht zuletzt deswegen Hitlerregime und Besatzungszeit überstehen, weil die Länder intakt blieben. In dem Buch „Zwanzig Jahre Zweite Republik” stellt ein ÖVP-Publizist fest: „Es ist nur ein scheinbares Paradoxon, daß es Gegenden auf dieser Weit gibt, wo der Name .Austria” nicht jenes Maß an Bekanntheit erreicht wie etwa der Begriff ,Tyrol” oder .Vienna”.”

Der Föderalismus zählt zu jenen geringer werdenden Positionen, wo sich die Programmatik der beiden großen Parteien noch deutlich scheidet. „In dublis” ist die ÖVP immer noch für die Länder, die SPÖ für die zentrale Gewalt eingetreten. Enthält das „Klagenfurter Manifest” der ÖVP ein klares Bekenntnis zum Föderalismus, so kommen die Bundesländer im SPÖ-Programm nur in einem Zwischentitel vor.

Gütliches Zureden

Ungeachtet dieses Umstandes gibt es in beiden großen Parteien föderalistisch bedingte Spannungen. Diese werden vor allem bei Wahlen offenkundig. Für Niederlagen zeichnet stets die jeweilige Parteiführung verantwortlich, Siege werden von den Ländern erfochten. Von Relikten einer Kirchturmpolitik (mitunter auch neuen Ansätzen dazu) kann man die Länder nicht freisprechen. Man verlangt vom Bund zwar Verwaltungsvereinfachung und Sparsamkeit, wehrt sich aber gegen jede Auflassung eines Bezirksgerichtes oder einer unrentablen Nebenlinie der Bundesbahn. Die Kandidaten- aufstellung für den Nationalrat ist noch weit von einer sinnvollen Regelung entfernt Das gilt trotz dem letzten Pairteitagsbeschluß über die „zentralen Kandidaten” auch für die SPÖ. Was das neue ÖVP-System dies gütlichen Zuredens bringen wird, bleibt abzuwdrten.

Auch auf Wirtschaftlichem Gebiet zeigen sich dir Länder oft unein-sichtig. Bei den diesjährigen Alpbacher Hochschulwochen stellte der Leiter des Volkswirtschaftlichen Referats des ÖGB, Dr. Heinz Kienzl, unwidersprochen fest: „Die bisherige Länderpolitik war reiner Partikula- rismus ohne konstruktive Ideen.” Als Beispiele erwähnte er den Straßenbau, die Elektriatätswirtschaft und die Agrarpolitik.

Unfruchtbarer Bundesrat

Daß es die SPÖ mit föderalistischen Problemen offensichtlich schwerer hat, zeigte sich am Beispiel der Kompetenzverschiebung in Sachen Sicherheitsdirektionen und in der Frage der Klassenschülerhöchstzahl, wo beide Male die Ländersozialisten unterlagen, deren prominentester Sprecher der Kärntner Landeshauptmann Sima ist

Ein tragikomisches Kapitel des österreichischen Föderalismus ist die Aufwertung des Bundesrates, die immer wieder angekündigt, aber nie effektuiert wurde. Bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen von 27 zu 27 zeigt keine der beiden Parteien ein echtes Interesse daran. Die Landeshauptleute von Wien und Steiermark, Marek und Krainer, sind daher aus diesem im wesentlichen unfruchtbaren Gremium wieder ausgeschieden.

Offen ist also immer noch ein Teil der Länderforderungen, die auf Grund des seinerzeit vom Bund geforderten Budgetnotopfers auf gestellt wurden. Die Länder drängen heute nur noch schaumgebremst auf deren Erfüllung. Sie sehen nämlich nur ein wirksames Unterpfand, den gegenwärtigen Zustand, mit dem sie nicht unzufrieden sind, bis auf weiteres vor Verschlechterung zu schützen.

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