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Der Ausdruck eines Schismas

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Das „Kirchenvolks-Begehren” macht mehr als nur eine Krise der Kirche sichtbar.

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Das „Kirchenvolks-Begehren” macht mehr als nur eine Krise der Kirche sichtbar.

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Rundum herrscht Freude: Sogar Bischöfe waren vom Ergebnis des „Kirchenvolks-Begehrens” entzückt; die Organisatoren fühlten sich als Wahlsieger, und das Medienecho zeigte die Kirche im Licht einer Bedeutung, das in Österreich fast im Verglimmen ist. Also war allen gedient. Die Bischöfe staunten über so viele Katholiken, die Organisatoren fühlten sich ein bißchen wie Luther, und schon wieder war die Kirche das Tagesgespräch.

Zur Kennzeichnung der Lage ist das Begehren aufschlußreich. Im Gegensatz zur beschworenen Lebenskraft in der Kirche mag nun auch der Eindruck genannt werden, der das katholische Bestmilieu im mentalen Schisma zeigt. Auf der einen Seite waren aus Schafen, die es viel zu lange waren, Böcke geworden, auf der anderen Seite erschienen viele Hirten so, wie es einmal Augustinus wütend beschrieben hatte: „... es hüten auch Strohpuppen Weinberge.”

Will man selbst Position beziehen, so ist das Dilemma noch dramatischer: Das, was ironisch offizielle Kirche genannt wird, ist ebenso problematisch wie die lustvolle Kirchenkritik, die sich bei der innerkirchlichen „Opposition” vor jede Spiritualität gedrängt hatte. Und das Volksbegehren steht in einer Parteilichkeit, die zu einer Demokratie paßt, aber grundsätzlich am Wesen der Kirche vorbeigeht.

Das mag eine verkürzende Darstellung sein, doch die Aktualität des Volksbegehrens verdeutlicht, daß die Schwäche des österreichischen Klerus nicht nur ein laikales Pendant institutionalisieren half, was gleichsam als „Öffnung” angesehen wird, sondern zugleich „Amts-Christen”, die vielen Laien-Beligionslehrer, Pfarrhelfer und Kommunionspender, nun endlich ihr Becht wollen. Wie in der alten SPÖ die Gewerkschaft eine starke, trotzige Subkultur war, so gehen die Kirchenangestellten ernsthaft daran, die Dominanz der Pfarrer zu bezweifeln. Pfarrer und Prälaten erlernten ja weder eine partizipatori-sche Betriebsführung, noch sehen die Amts-Christen in den Pfarren ein, vom vollen Umfang der sichtbaren Gnade Gottes ausgeschlossen zu sein.

Eine erschreckende Despiritualisierung

Diese Einsicht ist das Ergebnis einer erschreckenden Despiritualisierung, der allerdings der Klerus seit Jahrzehnten Vorschub leistete. Das Volksbegehren will also im Kern eine „wiedertäuferische” Kompetenz aller in der Gemeinde, zumindest der Pfarrfunktionäre mit Sonntagskarriere. Es will die Zuerkennung von Kirchenfunktionen für die Helfer und Helferinnen, die bislang der Klerus besetzt hielt. Und dieser pflegte die vormaligen freiwilligen „Mitarbeiter” wie Ministranten zu behandeln.

So schwach ist die Kirche, daß sie die existentiellen Varianten frommen Lebens nicht mehr glaubhaft vermitteln kann. Johannes vom Kreuz sprach noch von der Kostbarkeit der Verschiedenheit. So schwach sind die Christen, daß sie ihre Teilhabe an der Kirche nur über Arrogation von Ämtern verwirklicht sehen. Und diese Position, erhärtet durch „aufklärerische” Behauptung von Selbstbewußtsein, erhält dort einen unleugbaren

Vorteil, wo die Kirche ihre spirituelle ' Kraft vermissen läßt: bei den Frauen, die nicht länger in unbelohnter Frömmigkeit verharren wollen, bei den Angestellten der Kirche, die als Laientheologen schon längst ihre Freikirchen oder „denominated chur-ches” bildeten, bei jenen vielen Christen, die ihr Lebenspech nicht als dauerhaften Ausschluß von den Sakramenten akzeptieren.

Allein diese Tatsache, daß offensichtlich ein sakramentales Verständnis verloren ging, eröffnet einen Zustand, der mehr als nur eine Krise ist. Hätte etwa das Volksbegehren eine Beform der kirchlichen Ehegerichtsbarkeit gefordert, ein oft skandalös • operierendes Organ mit dem Hochmut, das langsame Mahlen von Gottes Mühlen zu imitieren, so wäre ein diskutabler Punkt gegeben. Genau das will Begehrlichkeit niemals...

Mit der Dauerirritation, eben die Ordination von Frauen gegen die Männergesellschaft zu verlangen, ist offenbar geworden, daß mehr im Sinn von Kostümierung gefordert wird als das Verlangen nach deutlicherer Disposition des Christen in der Welt, über den das Kirchenrecht noch immer kein Wort verliert.

Klerikalisierung der Laien

Es gibt kein Begehren, etwa im Sonntagsgottesdienst beide Lesungen hören zu wollen, den Psalm zu beten, was Bonhoeffer einmal als unverzichtbaren Gebetsschatz bezeichnet hatte. Stattdessen schreitet die Infan-tilisierung des Gottesdienstes unter Bischofsbeteiligung fort und die partielle Vorenthaltung von Verkündung wird dort deutlich, wo man sich für Briefstellen des Apostels Paulus zu genieren scheint. Wo ist eine Katharina von Siena, die mit heiligem Zorn einen Papst heimsuchte? Wo werden die ernsten Fragen erörtert, die Simone Weil gestellt hat? Was gilt die „ Amtslosigkeit” von Franz von Assisi?

Insgesamt ging die Sprache des Glaubens verloren, wie die langen Predigten beweisen. Diese verheddern sich auch entweder in „politisierender” Theologie oder in kindische Sentimentalität und vergeuden fast ein Drittel der Zeit des Gottesdienstes. Also sagen die „Amts-Christen” zurecht, Ähnliches ebenso zu können.

Das Begehren ist Ausdruck eines Schismas. Sein Inhalt ist die Klerikalisierung der Laien und die mit Aufrichtigkeit verwechselte Flucht der Geistlichen in die Laisierung vor laufender Kamera. Also kehrt in die Kirche das Phänomen ein, das Eugen Bosenstock in der reformierten Kirche schmerzlich beobachtet hatte: jedermann ist pfäffisch, die Kirche aber verwaist. Es sind nur Hinweise dafür, wie die Kirche im Dilemma zwischen Kult und Sekte verkommt, im österreichischen Stil schamloser Provokation und intriganter Frömmelei. Meine Kirche ist also unsichtbarer denn je.

P. S.: Will man katholisch bleiben, so heißt das, wie mein Vater im Leiden an der Kirche standhaft zu sein und zu hoffen, daß die Botschaft an die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen inmitten der Veruntreuung nicht gänzlich unterschlagen wird. Für diese offen ausgesprochene Einsicht hatte mein Vater ein Bedeverbot in der Wiener Erzdiözese auferlegt erhalten und war von jenen mißachtet worden, die heute als Wortführer sogenannter Beform ihre Begehren publizieren als wäre die Kirche Zwen-tendorf oder Hainburg.

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