Der Fall des René Benko
DISKURSDer Benko-Skandal: eine Zwischenbilanz
Dass nicht nur ehemalige Spitzenpolitiker, sondern auch erfahrene Ex-Banker und renommierte Investoren René Benko bis zuletzt geradezu blind vertrauten, gehört zu den Mysterien der Signa-Pleite. Eine Analyse.
Dass nicht nur ehemalige Spitzenpolitiker, sondern auch erfahrene Ex-Banker und renommierte Investoren René Benko bis zuletzt geradezu blind vertrauten, gehört zu den Mysterien der Signa-Pleite. Eine Analyse.
Single point of truth: Dieser schöne Begriff bezeichnet in der Computersprache einen Grundbestand an Daten, auf den Verlass ist. Bei Unternehmen kommt diese Funktion geprüften Jahresabschlüssen zu, in Unternehmensverbünden einer konsolidierten Konzernbilanz. Nicht so in der Welt des René Benko. Dort bilanzierte die übergeordnete Holding des Milliardenkonzerns in missbräuchlicher Interpretation der dafür vorgesehenen Erleichterungen nach den vereinfachten Regeln kleinerer Unternehmen. Dies ersparte ihm die ansonsten zwingend erforderliche, von Wirtschaftsprüfern bestätigte Gesamtdarstellung seiner Gruppe.
Gerade das Fehlen einer bilanziellen Gesamtsicht und mangelnde Transparenz der Eigentümerstruktur erschwert nun allerdings den Versuch einer autonomen Sanierung in Eigenverwaltung. Sollte sich dieser Weg als nicht gangbar erweisen und Zwangsverwaltung verhängt werden, wären Notverkäufe von Immobilien zu Tiefstpreisen unvermeidbar. Der grenzgängerische Gebrauch von allerlei steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen „Gestaltungs“-Möglichkeiten scheint im Benko-Reich üblich gewesen zu sein. Ob das in Einzelfällen bloß sträflich oder gar schon strafbar war, werden nun wohl Gerichte zu klären haben.
Faktische Umgehungshandlung
Zuletzt poppte hoch, dass für das 2016 im Wege einer seiner Stiftungen erworbene Schlosshotel Igls – auch nach dessen Abriss und Umbau zur Privatvilla – sämtliche Vorsteuer-Abzugsmöglichkeiten genutzt wurden, als handle es sich weiterhin um ein gewerbliches Unternehmen. Erst im Zuge der aktuellen Turbulenzen und nachdem über Jahre hindurch keine Rechnungsabschlüsse gelegt worden waren, fiel der Finanzverwaltung diese faktische Umgehungshandlung auf. Es folgte eine grundbücherliche Eintragung im zweiten Rang, um die Umsatzsteuer-Ansprüche der Republik abzusichern.
Die Verlockung, aus dieser Causa trotz zügiger Sicherstellung parteipolitisches Kleingeld zu schlagen, scheint groß zu sein. Dennoch lässt sich die Geschichte vom spektakulären Aufstieg und Fall des René Benko nicht darauf reduzieren. Denn seit seinem Anfangserfolg mit dem Kaufhaus Tyrol, schenkten renommierte Investoren und Gläubiger dem Jungunternehmer zwei Jahrzehnte lang ihr Vertrauen, von Unternehmensberater Roland Berger und dem Hamburger Reeder und Lufthansa-Miteigner Klaus Kühne bis zu deutschen Versicherungsgesellschaften, die nun um 850 Millionen Euro an nachrangigen Genussrechten bangen. Zu einem seiner engsten Begleiter wurde Paradeunternehmer Hans Peter Haselsteiner.
Das „Goldene Quartier“ in Wien diente als eindrucksvoller Beweis dafür, dass sich die Signa-Gruppe auf urbane Großvorhaben versteht. Auch wenn spätere Prestigeprojekte wie das „Chrysler Building“ oder das Hotel Bauer in Venedig geeignet gewesen wären, Misstrauen in großmannssüchtiges Gebaren hervorzurufen, riss die Erfolgswelle nicht ab.
Der darauffolgende Kaufrausch renommierter Adressen des großstädtischen Einzelhandels – darunter Galeria Karstadt Kaufhof und Selfridges in London – erwies sich aus heutiger Sicht als gravierende strategische Fehlentscheidung. Zum einen lag der Handel außerhalb von Benkos Kernkompetenz, zum anderen ging das Kalkül, durch hohe Mieten der im Signa-Eigentum stehenden Kaufhäuser deren Bewertung nach oben zu schrauben, nur vorübergehend auf. Der Einbruch des Handels während der Pandemie und die Umstellung der Kaufgewohnheiten auf digitale Bestellformen haben dieser Tage bereits zum dritten Mal eine Insolvenz der deutschen Handelsgruppe ausgelöst. Zuletzt scheiterte auch die vorübergehend an der New Yorker Börse gelistete Online-Handelsfirma Signa Sports.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!