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Der Bauernhof von morgen

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Mit den Mitteln von heute, im Bauernhof von gestern eine lebensfähige Produktionsstätte von morgen zu entwickeln, ist ein Ziel.

Es ist jedoch grundsätzlich zu untersuchen, ob die Mittel, die uns heute zur Verfügung stehen, ausreichen, oder ob es einer grundsätzlichen Änderung oder Erneuerung dieser Mittel bedarf. Die Menschheit befindet sich augenblicklich in einer sehr bedeutenden Phase ihrer Entwicklungsgeschichte. Wissenschaft und Technik haben die Welt aus einer uralten, agrarischen Kulturepoche in eine neotechnische Zivilisation verwandelt Es kam zu einer gewaltigen Expansion, unsere Städte sind zu eng geworden, und auch die Lebensmittelproduktion muß sich neuer Mittel bedienen. Die maschinellen Einrichtungen und viele andere Produktionsvereinfachungen sind laufend weiterentwickelt worden, und haben großen Anteil am Pro- duktionsmarkt der Landwirtschaft. Wenn wir bedenken, daß der erste Dampf pflüg 1860 eingesetzt wurde und mittels des Explosionsmotors ab der Jahrhundertwende eine wesentliche Veränderung der Felderträge erzielt wurde, und welche Maschinen der Landwirtschaft heute zur Verfügung stehen, so können wir ganz deutlich erkennen, wie weit die baulichen und konstruktiven Mittel im Rückstand sind.

Genauso wie sich im Hinblick auf die Entwicklungsziffem unsere Städte verändern werden, wird in Zukunft auch ein Umbau der Agrarstruktur notwendig sein. Die baulichen Mittel, die uns heute für diese Aufgaben zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Es ist endlich an der Zeit, zu erkennen, daß der Planung von neuen landwirtschaftlichen Betriebsstätten, die den Anforderungen von heute und morgen entsprechen sollen, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. Es steht fest, daß der Bauernhof in seiner herkömmlichen Form und Organisation nicht mehr weiter ausbaufähig ist, da er eine stabile Betriebsorganisation darstellt und auch in optisch kultureller Hinsicht abgeschlossen ist.

Neuer Geist aus alten Bauten

Durch eine rasche Weiterentwicklung in der Arbeits- und Produktionsweise und der damit verbundenen Bauweise werden auch neue Lösungen im Ausdruck also der äußeren Erscheinungsform dieser Gebäude entstehen. Wenn es in der Planung von agrarindustriellen Betrieben darum geht, möglichst zu rationalisieren, also auch kurze Wege in der Organisation zu erreichen, um Zeit zu sparen, so wird es auch im Bau dieser Anlagen darum gehen, ein Optimum an Effekt zu erzielen. Landwirtschaftliche Bauten müssen also erweiterungsfähig und veränderbar sein, und auch den künftigen Anforderungen zu entsprechen. Um hier alle möglichen Mittel auszuschöpfen, muß es zu einer Technisierung, Industrialisierung, Rationalisierung, Typisierung und Normi- sierung der notwendigen Bauteile kommen. Es geht darum, eine flexible, wandelbare Raumzeitstruktur zu erstellen, in der ein Dehnen und Schrumpfen der Volumina, aber auch der Organisation möglich ist. Diese Struktur könnte auch aus einem bestehenden Altbau, wenn dieser noch funktionsberechtigt ist, herauswachsen. Hier müßte der neue Geist erkennbar werden. Um dies zu erreichen, geht es in erster Linie darum, eine Grundlagenforschung anzustreben, die gemeinsam mit den Beratern der Landwirtschaft und den Architekten und Fachleuten zu erstellen ist. Das Bauen für agrar- indiustnielle Anlagen gehört heute zu den vordringlichsten aber auch zu den interessantesten und verantwortungsvollsten Aufgaben der Architektur.

Die Landwirtschaft wird in Zukunft mit den herkömmlichen Mitteln und anonymer Architektur nicht mehr das Auslangen finden. Je radikaler und kompromißloser diese Forderung erfüllt wird, um so bessere Chancen sind für die Landwirtschaft gegeben. Es ist grundsätzlich, durch Ausschreibung von Architekturwettbewerben zu untersuchen, welches Interesse undv welche Einigung der Architekten vorhanden ist. (Dabei müßte unbedingt die Teilnahme von Studenten ermöglicht werden.) Um diesen ersten Schritt möglich zu machen, aus dem eine engere Zusammenarbeit mit der Bauindustrie durch Schaffung von Arbeits- und Planungsgruppen entstehen muß, stelle ich mir vor, daß eine staatliche Mitfinanzierung (Grüner Plan) notwendig ist.

10 Gebote für morgen

1. Der Bauer und Landwirt ist Mensch wie wir alle, er ist aus derselben Ordnung entstanden, daher kein Unterschied zwischen städtischem Bauen und „Bauen auf dem Lande”.

2. Erst wenn dieser Irrtum überwunden ist, wird der Bauer wieder sein gesundes Empfinden für zeitgemäßes Bauen bekommen.

3. Der Bauer und die Architektur in seinem Bereich werden durch gänzlich falschen Einfluß gehemmt und gelenkt.

4. Um dies zu verhindern, ist vorerst der falsch verstandene sogenannte Landschaftsschutz und dessen Einfluß auszuschalten.

5. Mit der Planung von neuen Anlagen und Sanierungen sind nur Architekten und davon nur die fähigsten, zu betrauen. Maurermeister, Baumeister und Zimmermeister haben mit der Planung nicht das geringste zu tun.

6. Betriebswirtschaftler, Milchwirtschaftler, Fütterungstechniker, Landschaftspfleger usw. sind nur über eine umfassende Planungsstelle zu koordinieren.

7. Das Verbreiten und Austeilen von Rezepten durch verschiedene Institutionen oder Kammern in oberflächlicher Weise muß verhindert werden.

8. Es wird in diesem Zusammenhang viel zuviel von kultureller Verantwortung gesprochen. Wir sollten hier viel mehr an Zivilisation denken, an die Erfüllung der Funktionen und daran, Existenzmittel der Welt, allen Menschen durch eine umfassende Planung zugute zu bringen.

9. Aus diesem neuen Geist der Konzeptionen des Ordnens werden Strukturen entstehen, die Ausdruck der geistigen Vorgänge im Verlauf der Zeit sind Strukturen, in denen es möglich sein wird, Gebautes durch Montiertes zu ersetzen.

10. Wir werden Universalhöfe bauen, die überall Berechtigung und Wert haben: Im Engadin genau so wie im Burgenland, in Mitteldeutschland wie in Kärnten — heute und morgen.

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