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"Ein Sommernachtstraum" im Shakespeare-Zyklus des Burgtheaters.

Das Wiener Burgtheater hat sich für die zwei letzten Spielzeiten ihres an die Münchner Oper wechselnden Intendanten Klaus Bachler eine Aufgabe gestellt, die wohl kein anderes Theater weltweit zu leisten imstande wäre: einen Shakespeare-Zyklus nie da gewesenen Umfangs. Nicht weniger als 12 von insgesamt 39 der Shakespeare zugeschriebenen Dramen werden bis Juni 2008 zu sehen sein. Der Anfang wurde im Dezember gemacht mit Jan Bosses frecher Inszenierung von Viel Lärm um nichts. Ihm folgte nun keine vier Wochen später mit dem Sommernachtstraum eine weitere Komödie, bevor Falk Richter im März die Tragödie Julius Caesar, Karin Beier im April Maß für Maß, Luc Bondy im Mai das Opus Magnum König Lear und schließlich Barbara Frey im Juni den enigmatischen Sturm auf die Bühne am Ring stemmen werden. In der kommenden Spielzeit wird der Zyklus mit sechs weiteren Werken fortgesetzt.

Einziger Weltdramatiker

Was bewegt nun das Burgtheater zu diesem Kraftakt, der wohl kaum um seiner selbst Willen gewagt wird? Vom Literaturwissenschaftler Jan Kott stammt das Wort, wonach die Werke Shakespeares wie die Welt oder das Leben seien und jede Epoche darin das finden könne, wonach sie selbst sucht und was sie selbst sehen will. Das macht die ungebrochene Anschlussfähigkeit und Größe des Werkes des wohl einzigen - im engsten Sinne des Wortes - Weltdramatikers seit mehr als 400 Jahren aus. George Steiner hat das Werk Shakespeares charakterisiert als eines, das geprägt ist von einer "kaleidoskopischen säkularen Menschlichkeit". Tatsächlich geht das neuzeitliche Menschenbild auf ihn zurück, so dass es möglich ist, unsere Gegenwart durch die Perspektive seiner Anthropologie zu betrachten.

Dazu kommt, dass Shakespeare kein Moralist ist. Sein Blick auf die Welt ist, ganz im Gegenteil, von fast anstößiger Neutralität. Er wertet nicht, sondern sieht nur hin. Seine Dramen sind wie unsere Welt, eine einzige Chronik von Macht und Leidenschaft, von Eifersucht, Neid, Verrat, Mord und Treuebruch und genau besehen ein Schlachthaus. Es ist der Gang der (meist grausamen) Geschichte, jener "Große Mechanismus" (J. Kott), an dem sein Personal teilhaben muss, dem es nicht entkommt, den es aber auch kaum akzeptieren kann und der sich letztendlich immer auch als eines darstellt: als Kampf gegen den Schrecken, der wir selber sind oder weniger pessimistisch: als Kampf des Menschen gegen sich selbst.

Komödien privater Gefühle

In den Komödien, mit denen das Burgtheater seinen Zyklus begonnen hat, sind es zunächst eher die privaten, individuellen Gefühle, die Mechanismen des menschlichen Herzens, die Liebe, die Eifersucht und die Angst vor den Abgründen der menschlichen Psyche, die im Vordergrund stehen und in denen wir unsere Gegenwart erkennen sollen. Weniger glücklich als Jan Bosse in seiner Inszenierung von Viel Lärm um nichts verengt auch der niederländische Theater-und Filmregisseur Theu Boermans den um einiges schwierigeren - mit vielen heute nur mehr schwer zu dechiffrierenden Anspielungen gespickten (Shakespeare schrieb die Komödie 1595 für eine Hochzeit!) - Sommernachtstraum auf ein Thema hin: das der modernen Liebesordnung. Auch hier herrscht allumfassende Kontingenz, die Liebespaare finden sich eher zufällig und sind beliebig, über die geschlechtliche Zuordnung hinaus, austauschbar. Helena liebt Demetrius, dieser Herminia, Herminia Lysander und dieser mal die eine, dann die andere und wieder die eine. Eine Chronik der unbeständigen Liebe.

Boermans Sommernachtstraum ist kein Traum und schon gar kein Zauberspiel mehr. Hier hat es sich ausgeträumt, es herrscht vielmehr Berechnung mit spürbarer Liebesskepsis und männliche Rationalität. Das wird schon dadurch deutlich, dass Theseus, Herzog von Athen, und der Elfenkönig Oberon identisch sind (beide gespielt von Peter Simonischek) wie auch Hippolyta und Titania identisch sind (Andrea Clausen). Der Gegensatz von Ordnung (der Hof) und Chaos, der Zauberwald, wo Phantasie, Traum und Eros die Menschen regieren, erscheinen aufgehoben. Das Andere im Menschen mit seiner gleichsam animalischen Erotik ist hier bloß noch schwache Erinnerung.

Die getrennten Sphären sind ineinander verschoben, in eine entzauberte Welt, in der Zivilisation und Vernunft längst schon über die Phantasie, den Eros, das Kreatürliche, die Natur gesiegt haben. Sinnfällig ausgedrückt ist das in Bernhard Hammers Bühne: Ein langer Geröllregen begräbt das Festzelt unter sich und ist fortan Schauplatz der Irrungen und Wirrungen einer verflachten Liebesromantik. Kein mondbeschienener Zauberwald also, sondern eine mit Zivilisationsmüll übersäte Schutthalde. Auch das ein Kommentar zur Liebe im 21. Jahrhundert.

Republik Shakespeare

Der Shakespeare-Schwerpunkt des Burgtheaters wird ergänzt durch eine Vortragsreihe mit dem Titel Shakespeare - eine Republik von Fehlern, in der Wissenschaftler, unter ihnen der Übersetzer Frank Günther, der Soziologe Jan-Philipp Reemtsma, die Kunsthistoriker Werner Hofmann und Beat Wyss, der Philosoph Klaus Theweleit, der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der Musikwissenschaftler und Komponist Wolfgang Sauseng oder auch Kardinal Christoph Schönborn zu unterschiedlichen Aspekten von Shakespeares Werk sprechen werden. Zu Shakespeares 444. Geburtstag im April 2008 ist der bedeutende Renaissanceforscher und Shakespeare-Biograph Stephen Greenblatt angekündigt.

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