6650935-1958_52_28.jpg
Digital In Arbeit

Oberösterreichs Landwirtschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Oberösterreich steht seit jeher im Rufe eines kraftstrotzenden, ja reichen Bauernlandes. Die stolzen Vierkanthöfe, umgeben von Aeckern, saftigen Wiesen und Obstgärten, stattliches Vieh bergend, sind so Symbole hierzu geworden. Schon im 18. Jahrhundert wurden von Reiseschriftstellern wie von behördlichen Betrieben stets rühmend die Vorzüge der Landwirtschaft Oberösterreichs hinsichtlich Anbau und Viehstand wie Fleiß der Landwirte hervorgehoben und das Land gleichsam als Muster für die anderen Länder hingestellt. Auch das Schlagwort vom „goldenen Westen“ der Nachkriegszeit, das sich in landwirtschaftlicher Hinsicht wohl vorwiegend auf Oberösterreich bezog, ist noch in allgemeiner Erinnerung.

Solche einmal gefaßte Meinungen pflegen ein langes Leben zu haben, und so übersieht man immer, daß Oberösterreich außer einem fruchtbaren Flach- und Hügelland auch zu erheblichen Teilen, und zwar mit mehr als 50 Prozent des Kulturlandes, auch ärmliches Bergland (Mühlviertel, Salzkammergut, Steyr- und Ennstal) umfaßt. Dieses wie andere verkehrsabgelegene Landschaften haben aber mit dem Eingehen des Gewerbefleißes, mit der Entwicklung des Verkehrs, der Industrie u. v. a., Städte, ihrer geringeren Mechanisierbarkeit wegen, eine gewaltige Einbuße erlitten, und so hat auch die Landwirtschaft Oberösterreichs ihre großen Sorgen und Probleme.

Gemessen an dem durch Krieg und Zusammenbruch und Mangel an allen Betriebsmitteln und- Arbeitskräften erreichten- Tiefstand der Produktion hat die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren Außerordentliches geleistet. Hier können wir dafür nur wenige kennzeichnende Schlaglichter hinsetzen, die das Ausmaß und die Größenordnung dieser Leistungen kurz beleuchten sollen.

Die Brotgetreidelieferung ist von ihrem Tiefstand im Jahre 1945/46 von 46.000 Tonnen im letzten Normaljahr 1956/57 auf 112.000 Tonnen angestiegen und hat damit die Vorkriegsleistungen (1938/39 77.000 Tonnen) weit übertroffen. Der Schweinebestand ist im Kriege besonders stark abgesunken, während der Rinderbestand sich besser halten konnte. 1946 zählte man im Lande 320.000 Schweine, 1957 aber 701.000. Die Milcherzeugung hat sich von 431.000 Tonnen 1946 auf 708.000 Tonnen 1957 erhöht, die mittlere Leistung einer Kuh von 1400 Kilogramm auf 2400 Kilogramm und die Marktleistung an Milch und Milchprodukten hat sich von 164.000 Tonnen 1946 auf 387.000 Tonnen 1957, also auf das fast Dreifache erhöht.

Diese Leistungssteigerungen sind aber nur mit einem besonderen Einsatz von Betriebsmitteln und einer starken Mechanisierung erreicht worden, zumal die Landwirtschaft durch die Landflucht laufend Arbeitskräfte verlor.

Während 1945/46 je Hektar Nutzfläche nur 1,77 Kilogramm Reinnährstoffe in Form von Handelsdünger gegeben werden konnten, sind es 1957 bereits 48,3 Kilogramm gewesen. Die Zahl der Traktoren hat sich von 18 58 Stück im Jahre 1946 auf 23.413 im Jahre 1955, also auf das

Zwölffache erhöht. Aehnlich liegt es bei anderen Maschinen. Heute laufen schon bei 1000 Mähdrescher im Lande, die vor wenigen Jahren noch unbekannt waren.

Die Produktionsleistungen des letzten Friedensjahres 1937 sind überall schon beträchtlich überschritten. Im österreichischen Durchschnitt (zwei Drittel Bergbauernland) ist die Flächenproduktivität um 22 Prozent höher als 1937, die Arbeitsproduktivität ist um 36 Prozent gestiegen und hat mit der industriellen Produktivität völlig Schritt gehalten, obwohl die Voraussetzungen in der biologisch gebundenen Landwirtschaft ungleich schwieriger sind als in der Mechanik der industriellen Produktion. Aber auch in sozialer Hinsicht sind in der allerletzten Zeit besonders große Fortschritte erzielt worden. Altersversorgung und Kinderbeihilfe sind nur die hervorstechendsten.

Solche Leistungen der Landwirtschaft sind sicherlich unerhört in der gesamten Wirtschaftsentwicklung bisher gewesen, leider aber waren sie hinsichtlich des Einkommensangleiches vergeblich. Gewiß hat sich auch der Lebensstandard der Landwirtschaft gebessert, aber er ist weit hinter der Erhöhung aller änderen produktiven Schichten der Bevölkerung zurückgeblieben. Der Anteil der Landwirtschaft am Volkseinkommen ist in den letzten Jahren der Hochkonjunktur von 17 auf 13 Prozent zurückgefallen, während der landwirtschaftliche Bevölkerungsanteil sicherlich noch mehr als 20 Prozent, der Anteil der Arbeitskräfte 30 Prozent beträgt. Diese Unterbewertung und Einkommensdisparität der Landwirtschaft ist heute das entscheidende Problem der Landwirtschaft auch in Oberösterreich, weil sich diese Hintansetzungen besonders in den ungünstigen Produktionsgebieten schon in laufenden Entsiedlungen, verstärkter Landflucht und Extensivierung der Bodennutzung auszuwirken beginnt. Kann sich aber Oesterreich einen unvermeidlichen Rückgang der Nahrungsproduktion leisten, wenn die Landwirtschaft die Ernährung der Gesamtbevölkerung trotz gewisser Ausfuhrüberschüsse an Milch und Vieh heute nur erst kalorienmäßig zu 75 Prozent, wertmäßig zu 86 Prozent deckt? Auf diese Gefahr, die aus einer dauernden Benachteiligung der Landwirtschaft, aus der Ueberspannung ihrer Kräfte droht, muß gerade in dieser kurzen Betrachtung über die Lage und Leistung der Landwirtschaft eindringlich hingewiesen werden; sie verlangt dringend nach ihrer Abwehr durch gemeinsame Bemühungen aller Stände und Wirtschaftszweige.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung