Deutsche Bischöfe reden ein bisschen Klartext

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Zwei Monate nach Österreichs Bischöfen haben ihre deutschen Amtsbrüder neue Regeln zum Thema Missbrauch vorgestellt. Die Intentionen sind gleich, Akzente bleiben aber verschieden.

A m 31. August stellten die deutschen Bischöfe: nach mehreren Anläufen und langwierigen Beratungen ihre neuen Richtlinien zum Umgang mit Missbrauch in den Reihen der katholischen Kirche vor. „Aus Verzweiflung gut“ – so betitelte Matthias Drobinski in der Süddeutschen Zeitung seinen Kommentar zu den neuen Normen und konzedierte den Hirten, sie würden nun „zumindest auf dem Papier“ gegen das Problem „ernsthaft“ vorgehen. Sogar die deutschen Kirchenvolksbegehrer von „Wir sind Kirche“ entrangen sich: „Ein kleiner Fortschritt“, um dann hinzuzusetzen: „Aber noch lange nicht der große Wurf.“

Anfang 2010 hatte es mit den Enthüllungen über lang verschwiegene Missbrauchsfälle im Berliner Jesuiten-Kolleg begonnen. Wie Dominosteine fiel danach eine aufrechte Kirchenfassade nach der anderen in sich zusammen, Ordensgemeinschaften und Bischöfe sahen sich einer Lawine von Fällen und Vertuschungsvorwürfen ausgesetzt. Sogar der Papst, der 1977–81 Erzbischof von München war, kam ins Gerede.

Schon seit 2002 gemeinsame Leitlinien

Dabei hatten die deutschen Bischöfe – im Gegensatz zu ihren österreichischen Amtsbrüdern – schon seit 2002 gemeinsame Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch. Allerdings gab es auch danach Fälle, wo sich ein Ortsbischof nicht daran hielt, und angesichts der diesjährigen Missbrauchs-Lawine beschlossen die Bischöfe Ende Februar, diese Leitlinien grundlegend zu überarbeiten. Gleichzeitig setzten sie mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann einen eigenen Missbrauchs-Beauftragten ein. Über 500 Briefe von Opfern seien bei ihm mittlerweile eingelangt, berichtete Bischof Ackermann bei der Vorstellung der neuen gesamtdeutschen Leitlinien.

Österreichs Bischöfe hatten sich bereits Ende Juni auf eine gemeinsame „Rahmenordnung“ verständigt. Ein erster Vergleich der beiden Regelwerke zeigt in einigen Punkten ausgeprägt unterschiedliche Akzentsetzungen, auch wenn das Grundanliegen von Gerechtigkeit für die Opfer beiden Dokumenten zugrunde liegt.

Die deutschen Leitlinien beziehen sich nun – im Gegensatz zu 2002 – auf alle Mitarbeiter in der katholischen Kirche Deutschlands und nicht bloß auf Priester und Ordensleute. Auch das österreichische Pendant bezieht sich auf diesen Personenkreis.

Was am deutschen Bischofs-Papier auffällt, ist der Versuch, bei der Strafverfolgung unzweideutig zu bleiben: Bei Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ für sexuellen Missbrauch leitet der Dienstgeber die Informationen an die Staatsanwaltschaft weiter. „Nur ausnahmsweise“ unterbleibt die Anzeige, wenn dies das Opfer (bzw. deren Erziehungsberechtigte) ausdrücklich wünscht und auch schriftlich bestätigt. Hier gehen die deutschen Leitlinien einen rigoroseren Weg als die österreichische Rahmenordnung, nach der die kirchlichen Stellen nur dann von sich aus zur Anzeige schreiten müssen, wenn die Gefahr besteht, „dass weitere Personen durch den Täter zu Schaden kommen könnten“.

Deutsche und österreichische Regelungen

Ist also die deutsche Vorgangsweise bei einer Anzeigepflicht schärfer gefasst als die österreichische, so verhält es sich bei den Ansprechpersonen für Opfer genau umgekehrt: In Österreich gibt es in jeder Diözese eine Ombudsstelle, deren Mitarbeiter aus „unabhängigen Fachleuten bestehen“ sollen, die in „keinem kirchlichen Anstellungsverhältnis stehen“. Zu solch klaren Vorgaben konnten sich die deutschen Bischöfe nicht durchringen. Zum einen wird das, was in Österreich „Ombudsstelle“ heißt, nicht genau definiert, es ist die Rede davon, dass jeder Diözesanbischof „eine geeignete Person (oder mehrere Personen) als Ansprechperson für Verdachtsfälle“ beauftragt. Und diese können auch kirchliche Angestellte sein, einzige Einschränkung: Sie dürfen nicht der Diözesanleitung angehören.

Auch was den Umgang mit Missbrauchsverdächtigen betrifft, ist Österreich rigoroser: Hier werden kirchliche Mitarbeiter, „wenn der Verdacht nicht entkräftet werden kann“, während der Dauer des Verfahrens dienstfrei gestellt. In Deutschland stellt der zuständige Bischof die beschuldigte Person vom Dienst frei, „soweit es die Sachlage erfordert“. An diesen beiden Punkten setzt die größte Kritik ein: Die zuständigen Ansprechpersonen seien „zu wenig unabhängig“, argumentiert etwa „Wir sind Kirche“ und weist auf bestehende unabhängige Opferschutzstellen hin.

Außerdem richtet jede österreichische Diözese eine Kommission ein, die schriftlich dokumentierte Empfehlungen zu Konsequenzen für den jeweiligen Täter abgibt. In den deutschen Leitlinien heißt es, der Diözesanbischof „richtet zur Beratung in Fragen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch“ einen „ständigen Beraterstab ein“. In Öster reich wie in Deutschland sollen Missbrauchstäter im kirchlichen Bereich von der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ferngehalten werden, die von Opferverbänden geforderte eine Null-Toleranz-Politik vor allem gegenüber priesterlichen Missbrauchstätern gibt es hier wie dort nicht.

Entschädigungsfrage weiter ungeklärt

Zur Frage von Entschädigungszahlungen gibt es in den neuen Leitlinien keine Aussagen. In Österreich hatte ja Anfang Juli die Unabhängige Opferschutzkommission („Klasnic-Kommission“, vgl. Seite 9 dieser FURCHE) konkrete Summen genannt, welche kirchlicherseits an Missbrauchsopfer gezahlt werden sollen.

Stephan Ackermann ließ aber durchblicken, dass es auch von der deutschen Kirche dazu einen Vorschlag geben soll; der bischöfliche Missbrauchsbeauftragte verwies diesbezüglich aber auf die Gespräche am Runden Tisch, der von der deutschen Bundesregierung zum Thema Missbrauch installiert wurde – und an dem auch die katholische Kirche teilnimmt.

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