Thema: Religiöse Autorität
Der Prophet Mohammed schickte einst einen Botschafter zum König von Persien. Der König fragte nach dem Inhalt der Botschaft Mohammeds und bekam Folgendes zu hören: "Er ist gekommen, um uns von der Anbetung der Menschen weg zur Anbetung des einzigen Gottes zu führen." Das islamische Glaubensbekenntnis "Es gibt keinen Gott außer dem Einen" bedeutet, Gott um seiner selbst willen anzubeten und niemanden sonst neben ihm. Darin liegt die wahre Befreiung des Menschen.
Jemanden neben Gott zu verehren, wird im Koran als Beigesellung bezeichnet, dazu zählt auch das blinde Befolgen von Gelehrtenmeinungen: "Sie nehmen ihre Gelehrten und Mönche neben Gott zu Herren an, obwohl ihnen doch allein geboten war, dem einzigen Gott zu dienen, außer dem es keinen Gott gibt" (Koran 9:31). Der Prophet begründete dies wie folgt: "Diese Gelehrten haben ihren Anhängern erlaubt, was Gott verboten hat, und das verboten, was Gott erlaubt hat." Gelehrte haben im Islam hohen Stellenwert, gelten aber nicht als unfehlbar, daher liegt die Verantwortung letztlich beim Einzelnen. Dies setzt aber voraus, dass jeder Muslim sich intensiv mit der heiligen Schrift auseinandersetzt, um in der Lage zu sein, Gelehrtenmeinungen kritisch zu reflektieren.
Die Bindung des Herzens an Besitz, Macht, Ansehen, zweifelhafte Gelüste usw. verleiht diesen Dingen Autorität über den Menschen, die seine Freiheit einschränken. Diese Form der Unterwerfung des Menschen gilt daher ebenfalls als Beigesellung. Daher heißt es im Islam: Besitze das Leben, lass dich aber vom Leben nicht besitzen.
Schließlich kann auch das Böse - im Koran durch den Teufel symbolisiert - zur Autorität werden, wenn sich der Mensch diesem unterwirft. Eine reflektierende und liebende Hingabe an Gott kann jedoch die Freiheit des Menschen garantieren.
* Der Autor ist Islamwissenschafter und Imam in Wien
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