Kultur in der Finanzfalle

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Die Finanzkrise wird sich auch auf die heimische Kulturlandschaft auswirken. Angesichts der sozialen Lage von Österreichs Künstlern herrscht jetzt dringender Handlungsbedarf. Die neue Regierung verspricht zwar eine Aufstockung des Kulturbudgets – aber in der Szene herrscht, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der allgemeinen Krise, Skepsis.

Prekäre Arbeitsverhältnisse, neue Selbstständigkeit und Teilzeitbeschäftigung: Auch für Österreichs Künstler gelten jene Phänomene, die in den vergangenen Jahren den Arbeitsmarkt beherrscht haben. Die „Studie zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“, im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur von der L&R Sozialforschung erstellt, zeigt Reformbedarf auf (siehe auch Kolumne Seite 15). Die Armutsgefährdungsquote der heimischen Künstler ist dreimal so hoch wie die der Gesamtbevölkerung, das Nettojahreseinkommen liegt bei 12.400 Euro. „Wir erleben eine extreme Einkommensschere“, resümierte Kulturministerin Claudia Schmied bei der Veröffentlichung der Studie Ende November: „Viele Künstler verdienen wenig, wenige Künstler verdienen viel.“ Es herrscht Handlungsbedarf.

„Ignoranz sondergleichen“

Eine Aufstockung des Kulturbudgets um 20 Millionen Euro jährlich, die Erhöhung der Basisabgeltung für die Bundestheater und die Prüfung steuerlicher Maßnahmen zur Belebung des Kunstsponsorings verspricht das neue Regierungsprogramm. Aber Zusicherung gibt es keine. Doch noch ehe die Große Koalition ihre Arbeit aufnehmen konnte, reagierte die Branche mit Ablehnung. Selbst der besonnene Günter Rhomberg, Präsident der Bregenzer Festspiele, schlug für einmal harte Töne an. Die Verantwortlichen behandelten die zigtausenden Beschäftigten im Kulturbereich mit einer „Ignoranz sondergleichen“: „Diese Politik ist mir völlig unverständlich, und ich sehe für Österreichs Kunst und Kultur sehr dunkle Wolken am Horizont.“

Dunkle Wolken, die auch in Form der Finanzkrise über dem Kulturleben schweben. „Klarerweise wird die Finanzkrise auch Auswirkungen auf die Kulturlandschaft haben“, beschreibt Andrea Grisold von der Wirtschaftsuniversität Wien die Situation: „Wenn alle Leute weniger Geld oder Angst davor haben, über weniger Geld zu verfügen, wirkt sich das auch auf die Kultur aus.“ Die Professorin für Volkswirtschaft erwartet, dass künftig weniger kulturelle Aktivitäten gefördert werden – sowohl von staatlicher als auch von privatwirtschaftlicher Seite.

Noch herrscht Ruhe, und von einem aufziehenden Sturm scheint niemand sprechen zu wollen. Doch Veränderungen sind unausweichlich. Erst diese Woche entschied die EU-Kommission, dass das österreichische Banken-Hilfspaket rechtskonform sei. Das Paket im Umfang von 15 Milliarden Euro wurde noch von der vormaligen Regierung vereinbart und soll der Stabilisierung heimischer Banken dienen. „Die staatlichen Stützungen der Banken sind keine geringen Ausgaben, und der Staat hat deswegen nicht mehr Einnahmen“, sagt Grisold: „Das heißt: Es wird woanders gespart. Wir wissen, dass nicht zuletzt immer auch bei Kulturausgaben gespart wird.“

Wenn dem Finanzminister das Geld im Budget aber fehlt und wichtige Sponsoren zu Einsparungen gezwungen sind, werden die Kulturbetriebe weiter vergeblich auf erhöhte Subventionen und Sponsorengelder hoffen. Und das wird sich direkt auf Österreichs Kulturschaffende auswirken. Denn aus den drei Säulen öffentliche Hand, Sponsoren und Publikum lukrieren sowohl freischaffende Künstler als auch Institutionen den Großteil ihres Budgets. Die Einnahmen über den Karten- oder Werkverkauf werden sich dabei ökonomisch am wenigsten stark auswirken, erwartet Grisold: „Was wir über den Kulturkonsum wissen, ist das ein Null-Eins-Spiel: Der Konsument geht dann eher gar nicht. Aber wenn jemand immer Parkett dritte Reihe gesessen ist, dann geht er nicht unbedingt auf den Stehplatz. Die Vorlieben der Menschen, was sie gerne sehen, werden sich nicht radikal ändern.“

Wie sich die Unternehmen verhalten werden, lässt sich kaum vorhersagen. Noch beteuern die großen Sponsoren, auch weiterhin aktiv bleiben zu wollen. Doch sparen müssen sie alle. „Wir schauen in jede Kasse bei der Post“, sagt deren Sprecher Michael Homola: „In Anbetracht der Liberalisierung des Unternehmens müssen wir überall schauen. Darunter fällt natürlich auch das Sponsoring.“ Grundsätzlich sei Kultursponsoring eine wichtige Aktivität der Post, in der jetzigen Zeit werden besonders nachhaltige Kooperationen angestrebt. Daher werde etwa die Zusammenarbeit mit dem Burgtheater, trotz genereller Überlegungen, wie es weitergeht, aufrechterhalten.

Zurückhaltung bei Sponsoring

Auch Anton Kolarik von der Bank Austria teilt mit, dass es in seinem Institut „zur Überarbeitung des Budgets kommen“ wird: „Im Bereich Kultursponsoring wird sich dies voraussichtlich dahingehend auswirken, dass wir uns mit der Aufnahme neuer Projekte oder Partnerschaften schwer tun.“ Angesichts der derzeitigen Marktlage könne es „schwierig werden“, auslaufende Kooperationsverträge „zu verlängern oder einen neuen Partner zu finden“.

Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky gibt sich in der angespannten Situation „vorsichtig optimistisch“: „Natürlich spürt man die Krise auch am Theater. Das Geld wird vorsichtiger ausgegeben, oft liegt es nahe am Kulturbudget zu sparen. Das betrifft den Zuschauer genauso wie die Sponsoren.“ Nach zehn Jahren Stillstand wäre jede Budgeterhöhung, vor allem die der Basisabgeltung, erfreulich. Aber auch dringend notwendig: Die jährliche Inflationsanpassung der Gehälter konnte mangels Erhöhung der Basisabgeltung nur durch betriebsinterne Einsparungen geleistet werden. Stantejsky: „Ein Weg, der ein natürliches Ende erreicht hat.“

Geschäftsschädigendes Gesetz

Das Anti-Korruptionsgesetz von der vormaligen Justizministerin Maria Berger ist Anfang des Jahres in Kraft getreten, kriminalisiert Geschenkannahme von mehr als 100 Euro und wird von Kulturbetrieben als besonders kontraproduktiv empfunden. Die Annahme von Gratis-Tickets für Kulturveranstaltungen könnte im Extremfall mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Das Gesetz hält potenzielle Sponsoren davon ab, ihre Geschäftspartner zu Opern- und Theateraufführungen einzuladen. „Wir begrüßen Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption“, meint Anton Kolarik von der Bank Austria: „Allerdings gilt es Sorge zu tragen, damit es nicht zu einer Kriminalisierung von Unternehmen kommt, die große und bedeutsame Kulturveranstaltungen unterstützen, ohne deren Unterstützung diese nicht möglich wären.“

Existenzbedrohend sei das Gesetz für das Burgtheater Gott sei Dank nicht, resümiert Geschäftsführerin Stantejsky, „aber auf alle Fälle geschäftsschädigend“. Und es stellt Österreichs Kulturbetriebe vor eine kaum zu lösende Aufgabe, beschreibt sie: „Einerseits werden wir von der Politik verpflichtet, in der Planung des laufenden Jahres mehr Sponsoringeinnahmen zu erwirtschaften, auf der anderen Seite erfolgt von politischer Seite dazu keinerlei Hilfestellung.“ Anstelle einer seit Jahren geforderten und in anderen Ländern möglichen steuerlichen Begünstigung für Kultursponsoring wird es durch den Korruptionsparagrafen noch erschwert. Stantejsky: „Das ist gerade für ein Land wie Österreich als selbsternannte Kulturnation geradezu erstaunlich.“

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