Hoppe - © Foto: Imago / Viadata

"Die Nibelungen" von Felicitas Hoppe: Der Stein des Anstoßes bleibt der Schatz

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Liebe oder doch nur Rache? Gewalt und Macht gepaart mit Gier. Darum geht es primär im „Nibelungenlied“. Felicitas Hoppe taucht in ihrer Neuerzählung der Sage in mythische Vorzeit ein.

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Liebe oder doch nur Rache? Gewalt und Macht gepaart mit Gier. Darum geht es primär im „Nibelungenlied“. Felicitas Hoppe taucht in ihrer Neuerzählung der Sage in mythische Vorzeit ein.

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Welche Strahlkraft steckt wohl heute noch in dieser uralten germanischen Sage, die uns weit zurück in die graue Vorzeit der Völkerwanderung führt? Viel später erst, vermutlich um 1200, wurde sie in einem Heldenepos, dem berühmten „Nibelungenlied“, aufgezeichnet. Was bewegt aber eine Autorin unseres Jahrhunderts dazu, so einen Stoff auszugraben und noch einmal neu aus dem Blickwinkel der Gegenwart zu beleuchten? Die deutsche Schriftstellerin und Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe hat rasch eine Antwort darauf: An diesen Heldensagen fasziniere sie die „Langzeitwirkung“, da sie „das Sprechen über uns selbst bis heute unterschwellig grundieren“. Sie macht sich also auf die Suche nach dem, was geblieben ist.

Hoppe entwickelt die auktorial erzählte und aus mehreren Kapiteln und Unterkapiteln bestehende Handlung ihres Romans entlang der beiden großen Flüsse Donau und Rhein. Sie haben grundsätzlich eine zentrale Bedeutung für den Plot. Im Rhein soll einst der Hort der Nibelungen versenkt worden sein. Dieser Schatz mutiert hier in Gestalt der „dreizehnten Fee“ selbst zu einem der Protagonisten und wird zur tief einschneidenden Spur, die Rache, Grausamkeit und Böses auslöst.

Das Interessante an Hoppes Lesart dieser germanischen Sage ist der Umstand, dass zwei Aneignungen des Stoffs permanent mitgedacht werden. Zum einen ist dies der weithin beachtete Stummfilm von Fritz Lang aus dem Jahre 1924, zum anderen eine potenzielle Aufführung des „Nibelungenlieds“ im Rahmen der „Wormser Festspiele“, die zu einem wichtigen strukturbildenden Element des Romans wird. Verweise auf Bühne und Inszenierung durchziehen das Geschehen wie ein roter Faden und die Schauspieler werden in der „Pause“ über die Figuren, die sie verkörpern, interviewt. Auf diese Weise zieht Hoppe gefinkelt eine zusätzliche reflexive Ebene ein.

„In einem blanken Spiegel“

Die Geschichte nimmt rasant ihren Lauf, wenn Siegfried auf die Drehbühne tritt und nach zahlreichen Heldentaten am Hof zu Worms auftaucht, wo er bald dem Widersacher und heimlichen Helden Hagen gegenübertritt. Es folgen die Fahrt nach Isenstein und die Doppelhochzeit nach gefährlichem Wettkampf; der Altar jedoch scheint – wenn das kein Vorzeichen ist – „auf der Freilichtbühne vor dem Dom zu Worms“ wohl eher einem „Schafott“ zu ähneln: „Bis dass der Tod den Dienstmann vom König scheidet.“ Beim Hochzeitsmahl taucht zur Beunruhigung vieler ohne Einladung die Goldene Dreizehn auf „und prostet der verratenen Königin“ Brunhild zu, bevor sie abermals – „ein Geschäft unter Männern“ – getäuscht und geknebelt wird, damit sie ihre Kraft einbüßt.

Nach dem „Zickenkrieg“ vor dem Dom rauscht die Handlung auf die erste Katastrophe zu. Siegfried trägt das Hemd mit dem Kreuz über der Lindenblattstelle und begibt sich auf die Jagd. Abweichend vom Heldenlied wird er hier nicht mit dem Speer getötet, sondern verdurstet an der plötzlich eingefrorenen Quelle. Zugleich muss das Publikum „in einem blanken Spiegel seinen eigenen Durst, seine eigene Lust auf Totschlag und Mord“ erkennen.

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