Wo Siegfried starb

Ein Manuskriptfund in Melk brachte das Nibelungenlied ins Gespräch. Nun führt Walter Hansen den Leser zu den Schauplätzen der Dichtung, die zu den bedeutendsten des Mittelalters zählt. Als Begleiter zum einen oder anderen davon eignet sich sein Buch hervorragend. Man muß ja nicht gleich die ganze Strecke von Xanten über Worms und den "Lindelbrunnen", wo sich der Mord an Siegfried ereignete, und weiter über Passau bis Gran, dem heutigen Esztergom, abfahren.

"Wo Siegfried starb und Kriemhild liebte" ist eine geglückte Einheit mehrerer Elemente: Die dramatischen Höhepunkte der auch dem Umfang nach gewaltigen Dichtung sind in der Originalsprache einer modernen Prosaübersetzug gegenübergestellt, was zu einem schnellen, mühelosen Einlesen ins Mittelhochdeutsche führt. Allein das wäre schon ein Gewinn. Dazu kommen verbindende Texte, und vor allem Fotos, welche die Schauplätze des Nibelungenliedes in ihrem heutigen Zustand zeigen.

Die Etzelburg in Gran, beziehungsweise die Burg, die dem Dichter des Nibelungenliedes den Schauplatz für Höhepunkt und Ende des in manchen Einzelheiten erstaunlich modernen blutigen Machtspiels lieferte, wurde übrigens jahrzehntelang verbissen gesucht, aber erst 1934 gefunden, als Archäologen auf dem Stadtberg von Esztergom einige Mauerreste entdeckten und damit der ab 1173 errichteten, von den Türken völlig zugeschütteten und sodann ebenso völlig vergessenen Königsburg der Arpaden auf die Spur gekommen waren. Sogar ein Trumm von "Etzels Thron" kam zum Vorschein, freilich kein Saal, in dem über tausend Nibelungen hätten übernachten können. DasBuch lädt also auch ein, über Schauplätze nachzudenken, die Dichter anregten - und über die Verarbeitung der realen Schauplätze durch die dichterische Phantasie. H.B.

WO SIEGFRIED STARB UND KRIEMHILD LIEBTE Die Schauplätze des Nibelungenliedes Von Walter Hansen Verlag Ueberreuter, Wien 1997 180 Seiten, durchgehend Farbabbildungen, Ln., öS 498,