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Die UNF

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Die „United Kations Forces“ (UNF) bilden einen neuen Begriff im politischen Denken der Völkergemeinschaft; der UNO. Sie sind die Verwirklichung so vieler Pläne, wie sie als Weltpolizei, als internationale Wehrmacht oder als Völkerbundarmee seit langem ausgedacht wurden. Die UNF werden ein Instrument des Friedens sein, und zwar eines Friedens durch Waffenmacht. Mögen auch viele Friedensfreunde nicht nur einen Frieden auf Bajonetten gewünscht haben, sie müssen sich trotzdem mit ihm zufrieden geben, denn besser ein solcher Frieden denn keiner. Vielleicht ist doch der Frieden durch Macht die Vorstufe für einen dauernden Frieden ohne Waffengewalt, wenn sich die Völker daran gewöhnt haben, daß es besser ist, auf Kriege zu verzichten.

Für viele Deuter des Kriegsproblems ist jeder Waffengang überhaupt bloß ein Mittel zur Erreichung des Friedens und schon im Altertum begegnen uns militärische Einrichtungen, die ausschließlich der Friedenssicherung dienten. Die griechischen Amphiktyonien setzten ihre Streitkräfte gegen den Friedensstörer ein und diese „Bundesexekution“ findet sich zum Beispiel

später auch im ersten Deutschen Reich, in dem sich die einzelnen Staaten verpflichteten, Kontingente zum Reichsheer zur Erzwingung des Friedens zu stellen. Ja sogar im republikanischen zweiten Deutschen Reich bestand die Bundesexekution noch bis zum Jahre 1933. Freilich handelte es sich sowohl im alten Griechenland wie im Deutschen Reich um bewaffnete Aktionen innerhalb einer gleichnationalen Gemeinschaft, aber diese Gemeinschaften galten zu ihrer Zeit als eine Welt für sich. Eine derartig enge politische und wirtschaftliche Verflechtung der Erdteile und später der ganzen Welt, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert anbahnte, war den Griechen und auch noch dem älteren ersten Reich unbekannt.

In größerem Rahmen sehen wir Exekutionen gegen Einzejstaaten im Zeitalter der modernen Großmächte. 1896/97 schlössen sich Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Rußland zusammen und landeten unter dem Schutze einer alliierten Flotte Truppen auf Kreta. 1900 führten dieselben Großmächte, ergänzt durch Japan und USA einen Feldzug gegen die Boxer in China, 1902/03 erschienen

deutsch-englisch-itaüenische Kriegsschiffe vor der Kifste Venezuelas, um gemeinsame Forderungen zu erzwingen, und 1903 bis 1908 unterhielten Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Rußland in Mazedonien eine internationale Gendarmerietruppe. Das alles waren deutliche Ansätze einer internationalen Wehrmacht, die allerdings nur gelegentlich zusammengestellt wurde und nur vorübergehend einen gemeinsamen Oberkommandierenden wählte, der 1900 in China im Volksmunde die Bezeichnung „Weltmarschall“ erhielt. Alle diese internationalen Aktionen richteten sich stets gegen einen einzelnen miltärisch schwachen Staat und gründeten sich ausschließlich auf das zeitweise Übereinkommen der herrschenden Großmächte. Irgendeine universelle Staatenorganisatioa mit organisierter internationaler Wehrmacht stand nicht dahinter.

Der Weltstaat mit Weltpolizei ist ein uralter Traum und mancherlei Versuche mußten einander folgen, bis die UNF zustande kamen. Jedesmal gaben kriegerische Epochen den Anlaß zur Wiederaufnahme des Planes, sooft eben die Menschen des ewigen Kriegführens müde wurden. Die Wirren in der Schweiz, die Fehden im Deutschen Reich und die Parteikämpfe in Böhmen zur Zeit des Kaisers Friedrich III. ließen König Georg Podiebrad 1462 einen europäischen Staatenbund vorschlagen, der sich militärischer Exekutive bedienen sollte, um neue Kriege zu verhindern oder im Keime zu ersticken. Die furchtbaren Hugenottenkriege waren für Heinrich rV. von Frankreich 1610 der Anlaß, einen ganz

ttnffcnen Plan der Weh ru präsentieren,

*nd mitten im spanischen Erbfolgekrieg trat 1713 St.' Pierre mit seinem Entwürfe eines europäischen Staatenbundes mit einem Exekutionsheer unter französischer Führung hervor. Die friderizianischcn Kriege ließen neuerlich diesen Gedanken aufleben, diesmal war es Christian Wolff 1750, dessen „Civi-tas maxima“ ebenfalls mit eigenen Streitkräften ausgestattet gedacht war. Aber erst die napoleonischen Kriege führten zum ersten praktischen Versuch auf diesem Gebiete, nämlich zur Heiligen Alliance.

Die Heilige Alliance bestand vom 26. September 1815 bis zum 18. August 1825 als Bund der siegreichen, politisch gleichgerichteten Monarchien Österreich, Preußen und Rußland, dem sich mit Ausnahme Englands, der Türkei und des Kirchenstaates alle , europäischen Staaten anschlössen und der den europäischen Frieden aufrechtzuerhalten hatte. Das in diesem Bunde führende Rußland — Alexander II. — madite 1818 den Vorsdilag, ein europäisches Heer unter Leitung eines ständigen Militärausschusses aufzustellen, zu welchem Frankreich und die Niederlande je 10.000, alle übrigen Staaten je 5000- Mann ausrüsten sollten. Dieses internationale Heer trat aber nie in Aktion und die Bestellung seines Oberkommandanten, des britischen Feldmarschalls Wellington, der zugleich auch die österreichische, preußische und russische Marschallswürde bekleidete, war das einzig greifbare Ergebnis langwieriger Verhandlungen. Ihr Ende nahm die Heilige Alliance durch Rußlands Abrücken — hervorgerufen durch die Lässigkeit der Alliance-Partner — und sein mit England über Griechenland geschlossenes Sonderabkommen. Die Alliancemädite machten jedoch vom Interventionsredit mehrfach Gebrauch, so Österreich 1821 in Neapel und Sardinien, Frankreidi 1823 in Spanien, und eigentlich ist noch Rußlands Intervention in Ungarn 1849 als ein letztes Ausklingen der Heiligen Alliance anzusehen. Die Heilige Alliance blieb hinsichtlich der militärischen Exekutionsmöglichkeit ein Torso, und eine absolute Kriegsverhinderung konnte sie nicht bringen. Niemand wird jedodi leugnen können, daß die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß nach einem 23jäh-rigen Weltkrieg der Mensdiheit einen nächsten Weltkrieg für ein Jahrhundert erspart hat.

Daß niemand in die Schöpfung der Heiligen Alliance ein rechtes Vertrauen hatte — Metternich nannte sie ein „lauttönendes Nichts“, Castlereagh einen „prachtvollen Mystizismus“, Marwitz ein „Gaukelspiel“ ' und G e n t z eine „Theaterdekoration“ —, das spricht genau genommen nur für die zutreffende Beurteilung der noch geringen Möglichkeiten einer überstaatlichen Kriegsverhinderung zu jener Zeit.

Die Weltfriedenspläne verstummten jedoch nicht und schon 1855 entwarf Feldzeugmeister Baron Heß „Politische Betrachtungen über die Zukunft Europas“ und es war wieder ein großer Krieg — der Krimkrieg — der hiezu die Anregung gab. Heß war Realist und er erkannte die harten Gegebenheiten der großen Politik, Er basierte seinen Friedensplan auf dem Zusammenschluß der Großmächte, denen er Einflußzonen zuwies und denen die Interessen der kleinen Mächte unterzuordnen waren. Als Österreicher räumte er die Führung Europas Österreich ein, da ihm dessen historische Machtstellung hiezu die Berechtigung zu geben sdiien. Ein europäischer Wirtschaftskongreß hätte wirtschaftliche Kriegsursachen auszuschalten gehabt. Die Großmächte waren somit berufen, sowohl wirtschaftlich zu diktieren als auch politisch in ihren Sphären Ordnung zu halten, ihre militärischen Maditmittel wären stark genug gewesen, um Störungen des Friedens hintanzuhalten: Frieden durch Macht!

Der erste Weltkrieg des 20. Jahrhunderts brachte einen weiteren Fortschritt in der Frage einer internationalen Wehrmacht. Vom Willen der Sieger diktiert, setzte der Genfer Völkerbund im Artikel 16 seiner Satzung fest, daß mit den militärischen Mitteln seiner Mitglieder gemeinsame Exekutionen gegen Einzelmitglieder durchgeführt werden können. Hiezu arbeitete Tardieu 1932 den Entwurf für eine Völkerbund-Wehrmacht aus, der aber gemeinsam mit der Genfer Abrüstungskonferenz unterging. Der Völkerbund W i 1-sons erwies sich noch als unzureichend für die gesteckten hohen Ziele. Der Bund war

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Mitgliedschaft der Welt- und Großmächte, er versagte auch sdion bei seinen Versuchen, einen lediglich wirtschaftlichen Sanktionskrieg — gegen Italien — zu führen. Immerhin blieb er das Vorbild einer universellen Staatenorganisation mit geplanter militärischer Exekutionsgewalt.

Die Charta der Vereinten Nationen

— abermals eine Machtäußerung der Sieger

— bestimmt im Artikel 42, daß zur Erhaltung, beziehungsweise Wiederherstellung des Weltfriedens die Mitglieder berufen sind, gemeinsame Land-, See- und Luftopera-tionen gegen einen Angreifer durchzuführen. Alle Mitglieder müssen entsprechende militärische Streitkräfte bereithalten (Ar-

. tikel 43) und im Bedarfsfalle unmittelbar zur Verfügung stellen (Artikel 45), wie es der Generalstabs-Ausschuß der UNO (Artikel 46) festsetzt. Im Anschlüsse an die erste Tagung der UNO 1946 trat audi bereits der Generalstabs-Ausschuß zusammen und befaßte sich erstmalig mit der Organisierung der „U nited Nations For-c e s“ (samt ihren Stützpunkten), die nunmehr nach vielhundertjährigen Träumen tatsächlich ins Leben treten. Der Weg war lang und steil, aber er führte schließlich doch zum Ziel. Über die Einzelheiten der Bildung der UNF wird wohl kaum viel in die Öffentlichkeit dringen, man wird aber in der Annahme nicht fehlgehen, daß sie nach ihrer jeweiligen Stärke, Zusammen-

setzung unif örtlichen Berettfiaftung großen,

den politischen Lagen angepaßten Schwankungen unterworfen sein werden. Die Kontingente werden ständig wechseln und ebenso die Truppenkommandanten. Die Truppenzüsammenziehungen werden — ähnlich den militärischen Demonstrationen der Vergangenheit — oft nur warnenden oder drohenden Charakter haben, oft aber auch der gemeinsamen Einschulung der Streitkräfte dienen. Gemeinsame Manöver verschiedener Staatenkontingente sind nichts neues: im Deutsdien Bund hielten Württemberg', Baden und Hessen ebenso gemeinsame Übungen ab wie 1835 österreidi, Preußen und Rußland bei Kaiisch oder 1929 England und Frankreich im Rheinland.

Das ganze Problem der internationalen Wehrmacht — auch H o o v e r wünschte, nach ähnlichen„ 1930 gemachten Vorsdilä-gen, 1942 eine „Polizei-Luftwaffe“ und B e v i n 1946 eine „Weltpolizei“ — hängt auf das engste mit der Frage der Intervention oder der Nichtintervention zusammen. Im 19. Jahrhundert war die Intervention nach 1815 zunächst allgemein als das Redit der Mächte anerkannt und erst in den dreißiger Jahren wurde sie als völkerrechtswidrig aufgefaßt. Die 1823 proklamierte Monroe- Doktrin unterstrich grundsätzlich die Unzulässi?keit jeder Intervention und noch heute gibt es zahlreiche bedeutende Verfechter dieser Theorie, so auch Thomas Mann, der der Nichtinter-

ventfon erfilgsi das Wort redet. Der

Völkerbund bekannte sich wieder zur absoluten Intervention und die UNO dekretiert sie in bisher noch nidit gekannter Eindeutigkeit.

Wie schwankend das Bild der Intervention und Nichtintervention ist, zeigte der spanische Bürgerkrieg. Während zu Land Ausländerverbände verschiedenster Art am Bürgerkrieg teilnahmen, führten 1937 Deutschland, England, Frankreich, Italien, Portugal und Rußland zur See eine strenge Küstenbewachung durch, um die Niditein-mischung zu gewährleisten. Die USA haben ihre Stellung zur Intervention 1945 klar umrissen: in seinen zwölf Grundsätzen der Außenpolitik lehnte Präsident Trum an jede Einmischung in die Wahl der Regierungsform der Einzelstaaten ab, ebenso jede fremde Einmischung in die Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre, bekannte sich jedoch zu* Intervention, „um den Frieden zu sidiern“. In diesem Sinne ermächtigte auch der Senat den Präsidenten zur Beistellung von USA - Streitkräften zwecks Durchführung von Interventionen der UNO. Staatssekretär B r a d e n ergänzte diese Einstellung der USA zum Interventionsproblem durch die Erklärung, daß die Monroe-Doktrin „für einen bestimmten Sektor der amerikanischen Außenpolitik“ maßgebend bleibe und daß es angezeigt sei, „hinsichtlich des Grundsatzes der Nichteinmischung lieber übervorsichtig zu sein“.

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