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Osterreichische Rstung

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Der Schweizer Bundesrat hat vor wenigen Tagen den eidgenössischen Räten das fertiggestellte Rüstungsprogramm vorgelegt, das für die fünfjährige Dauer der geplanten umfassenden Heeresorganisation neben dem normalen militärischen Jahresbudget von 470 Millionen einen außerordentlichen Rüstungsaufwand in der Höhe von 1464 Millionen Schweizer Franken vorsieht. Ein Vorhaben, das auch dann noch formidabel genannt werden könnte, wenn der Staat, der diese Milliardenausgaben für die Verteidigung seiner Neutralität und seiner Freiheit macht, und nicht etwa zufolge irgendwelcher Paktverpllichtungen, größer wäre als der eidgenössische Bundesstaat zwischen Boden- und Genfer See.

Wie grundverschieden Bind doch die Wege, welche das Schicksal den beiden befreundeten Alpenrepubliken zugewiesen hat: drüben, jenseits des jungen Rheins, die völkerrechtlich verbriefte Stellung der Schweiz, die mit. wehrhafter Hand und mit einer bärenstarken Volkswirtschaft, ihre Neutralität gegen die Wechselfälle dieser Zeiten sichert, und hier dieses Österreich, der bescheidene Erbe einer großen Vergangenheit und der Hinterlassenschaft einer Fremdherrschaft, aus der ihm viel Not und Sorge, aber nicht einmal schon der verheißene Staatsvertrag verblieben ist, ein Land, das für die Verteidigung seiner Freiheit, wenn es darauf ankäme, nicht eine einzige Kompanie ins Feld zu schicken vermöchte, ein waffenloses Land, eine Kuriosität auf diesem ungemütlichen, von Bajonetten und Stacheldrähten starrenden Planeten.

Dennoch ist dieser kleine Staat nicht hilflos. Er wird in seiner Waffenlosigkeit stärker sein, wenn er seine Rüstung durch unerschütterliche innere Geschlossenheit beweist, aufs neue bewährt in der Festigkeit eines nichtbesieglichen Selbstbehauptungswillens und in der Wahrhaftigkeit seiner Demokratie. Uber diese unsere Rüstung, unseren unersetzlichen Selbstschutz, wird in wenigen Wochen die Wahl des Bundespräsidenten, zu der die gesamte wahlberechtigte Bevölkerung Österreichs aufgerufen ist, viel auszusagen haben.

Mit dieser ersten Abstimmung des ganzen Bundesvolkes betritt die österreichische Demokratie, rechtverstanden, eine neue Stufe der Entwicklung. Der Aufruf des Bundesvolkes ist in der Verfassung nicht ein leeres demokratisches Getue, ein beiläufiger Schmuck, ein Federl am Hut und nichts weiter. Welche Bedeutung die Verfassung der unmittelbaren Demokratie, der direkten Teilnahme des Volkes an der Staatsgestaltung zumißt, zeigt ihre Bestimmung, daß nicht nur eine vollständige Änderung der Verfassung, sondern, wenn es auch nur ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder auch des Bundesrates begehrt, auch eine teilweise Verfassungsänderung einer Abstimmung des ganzen Bundesvolkes, dem „Referendum“, zu unterziehen ist. Sichtbar ist hier der Wille, das Volk als oberste, zu unmittelbarer Handlung berufene Instanz zur Hut der Verfassung einzusetzen, über den gesetzgebenden Körperschaften und dem Bundespräsidenten ragt in diesen Bestimmungen die Autorität des Volkes auf, eine demokratische Gesetzlichkeit, wie sie nur wenige Verfassungen kennen. Nicht daß Vs wünschenswert wäre, diese Autorität bei geringfügigen Anlässen einer Verfassungsänderung anzurufen, aber es ist gut, des Prinzips gewahr zu sein.

Die Vorbereitung der ersten Volkswahl zur Erkürung des Staatsoberhauptes wird der Bedeutung des Aktes Rechnung zu tragen haben, der Erhebung des Mannes, der als Erster in unserem Volke stehen soll, mit alleinigen Vollmachten und Gnadenrechten umkleidet, in seiner Würde selbst in einer entgotteten Welt noch undefinierbar und von fern her umweht aus den Vorstellungsbereichen des Gottesgnadentums der Regenten und der legitimen Gewalt. Da nach dem Wahlgesetz zweitausend Stimmen zur Einbringung eines Wahlvorschlages genügen, oder auch schon die Unterschriften von fünf Abgeordneten, so ist im ersten Wahlgang mit einer gewissen Zerstreuung der Stimmen und dem Ausbleiben eines sofortigen Wahlentscheides, also mit der Notwendigkeit eines zweiten Wahlganges zu rechnen. Auf dem Ausgang dieses zweiten Wahlganges wird das ganze politische Gewicht ruhen. In ihm darf es nicht ' zu einem Kräftemessen der politischen Parteien kommen, aus dem der Gewählte etwa als der Mann eines Parteilagers hervorgehen- würde, wohl der Stimmenzahl nach der Gewinner, aber nicht ein Gewinner für die große Berufsaufgabe, die ihn in seinem Amte erwartet: Personifikation der bewußten Einheit des österreichischen Volkes und in dieser Funktion für viele Fälle der Vollstrecker des Willens unseres Volkes zu sein. Den künftigen Bundespräsidenten vor einer Fehldeutung seiner Stellung zu bewahren, wird die Pflicht der großen Parteien und ihrer vordersten Verantwortlichen sein.

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