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Spanische Wachablösung
Für alle diejenigen, die Spaniens Innenpolitik aufmerksam verfolgen, kam Francos Regierungsumbildung nicht als Überraschung. Hatte man doch bereits zu Jahresbeginn von einer technischen Wachablösung in einigen Ressorts gesprochen. Allerdings hatten politische Beobachter hier angenommen, daß der Ministerwechsel umfangreicher ausfallen und vor allem sich nicht nur auf den Innenpolitischen Bereich beziehen würde.
Gerüchten zufolge soll den letzten Anstoß zu der Kabinettsneubildung eine Unstimmigkeit zwischen dem jetzt ausgeschiedenen Handelsminister UUastres und dem ebenfalls demissionierten Finanzminister Navarro Rubio gegeben haben. Sicher ist, daß beider Politik in den vergangenen Monaten Gegenstand offener Kritik in d,er zensurierten, Presse war. Ungenügende Exportankurbelung und eine sich allen Bremsversuchen widersetzende
Preissteigerung riefen den Unmut der Spanier hervor. Wachsender Kritik war auch Landwirtschaftsminister Canovas ausgesetzt, da die spanische Agrarlage sich seit einem Jahr zusehends dramatischer gestaltete, ohne daß durchgreifende Maßnahmen getroffen wurden, um die absinkende Rentabilität der Landwirtschaft und die — teilweise durch den die Industrialisierung vorantreibenden Vierjahrplan bedingte — Landflucht, durch die allein im Vorjahr Spaniens aktive Landbevölkerung um 250.000 Personen verringert wurde, zu stoppen.
Gerechterweise läßt man hier nicht außer acht, daß der unleugbare wirtschaftliche Fortschritt, der sich in Spanien seit ungefähr fünf Jahren abzeichnet, das Werk eben dieser ausscheidenden Equipe ist. So ist UUastres die Stabilisierung der Peseta und die wirtschaftliche Liberalisierung zu verdanken, die dem Land den Weg nach Europa geebnet haben. Unter Canovas wurde die Wiederaufforstung großer Landstriche durchgeführt und die Flurbereinigung in Angriff genommen. Unter dem ausgeschiedenen Minister für öffentliche Arbeiten schließlich wurden zahlreiche Stauwerke erbaut, die Wasserversorgung der Großstädte vervollkommnet, Straßen-, Hafen- und Eisenbahn-modernisierungs- und erweiterungs-pläne ausgearbeitet. Mit der Verwirklichung dieser Pläne übernimmt sein Nachfolger Silva Munoz ein Erbe, dessen Schwierigkeit Canovas andeutete, als er in seiner Abschiedsrede dem neuen Minister viel Glück zur Entdeckung des Zauberschlüssels wünschte, der die erforderlichen Geldquellen ausfindig macht.
Koordination über alles
Der Zauberschlüssel, den der Minister für öffentliche Arbeiten benötigt, ist auch für die Vielzahl der Pläne, die die spanische Wirtschaft heute charakterisiert, erforderlich Zwar sind diese Pläne alle unter dem Nenner des Entwicklungsplans zusammengefaßt, doch zersplitterr sie sich durch ihre Zuständigkeit zt verschiedenen Minsterien. Gerade Hoahaih wurden Handels-. FinanzLandwirtschaftsministerium und das Ministerium für öffentliche Arbeiten neu besetzt, damit der zum Minister ohne Portefeuille ernannte Kommissar für den Entwicklungsplan als Koordinator unter rang-, alters- und gesinnungsmäßig Gleichgestellten auftreten kann, eine Aufgabe, die er bei älteren Ministern, die außerdem auf eine achtjährige Amtsperiode zurückblicken konnten, nicht erfüllen konnte. Fördernd für die Koordinierungsarbeit ist auch die Tatsache, daß einige der neuen
Minister früher Funktionen innerhalb des Entwicklungsplans ausübten. Ein weiterer in diesem Zusammenhang günstiger Faktor ist lie Zugehörigkeit von drei der eben »mannten Minister zu dem in Wirtschafts-, Finanz- und Kulturkreisen sinflußreichen Laienorden Opus Dei, :u dessen prominentesten Mit-»liedern Koordinator Lopez Rodo cählt.
Man wird nicht fehlgehen, wenn nan das Opus Dei als wahren Gewinner bei der Kabinettsumbildung bezeichnet. Außer den neuen Opus-Männern in der Regierung wurden nämlich auch der diesem Laienorden nahestehende Erziehungsminister und der Industrieminister, der zumindest starke Sympathien zum Opus Dei haben soll, in die Staatsführung mit einbezogen. Somit hat sich das Opus Dei zu einer Position aufgeschwungen, die es, neben den Streitkräften selbstverständlich, zur ausschlaggebenden Macht im Staat macht.
Isolationistische Regierungserklärung?
Die auf die Kabinettsumbildung folgende Regierungserklärung zeichnet sich durch das Fehlen neuer politischer Impulse, Betonung des Entwicklungsplans und der Sozialpolitik aus. Die staatlichen Institutionen sollen weiter ausgearbeitet die Grundgesetze vervollkommnet und die Kontinuität des Regimes für die Zukunft gesichert werden. Aul dem rein politischen Sektor also eine Festigung — um nicht zu sagen Versteifung — oftmals gehörter Konzepte. Die Außenpolitik wurde in dei Regierungserklärung praktisch außer acht gelassen, will man von der Versicherung absehen, daß die Öffnung zu internationaler Zusammenarbeit beibehalten werden soll. Wenigei konnte man zu den internationaler Beziehungen wirklich nicht sagen behaupten die meisten politischer Beobachter hier. Und es werden auch schon besorgte Stimmen laut die in dieser mageren Stellungnahme eine Rückkehr zum Isolationismus des Spaniens der fünfziger Jahr« sehen. Eines Isolationismus, dei schwerwiegende Folgen für Spaniens wirtschaftliche Entwicklung haber könnte, denn es ist eine Binsenweisheit, daß eine fortschrittliche unc expansive Wirtschaftspolitik mit einer starken Aktivierung, der Außenpolitik verbunden sein muß.
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