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„Die schweigsame Frau in Wien

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Für den 16. Februar war die Premiere der „Schweigsamen Frau” von Richard Strauss angesetzt — und mußte drei Tage vorher, wegen Erkrankung einer Sängerin, vorläufig um zwei Wochen verschoben werden. — Das Werk scheint vom Unglück verfolgt und anfällig nicht nur für größere Stürme, sondern für „jeden Hauch der Luft”. Es ist wirklich so, als solle die „Schweigsame Frau” nie recht zu Wort kommen. Aber vielleicht wird durch die Wiener Premiere der Bann gebrochen…

Immerhin begann mit diesem Werk ein zweiter, später Frühling der Strausschen Bühnenproduktion.

Nach Hofmannsthals Tod nämlich, im Juli 1929, wähnte Strauss seine Laufbahn als Opernkomponist beendet (das letzte gemeinsam vollendete Werk, „Arabella”, wurde 1933 in Dresden urauf geführt). Doch schon im Winter 1930/31 hatte der Leipziger Verleger Anton Kippenberg die Bekanntschaft zwischen seinem Autor Stefan Zweig und Richard Strauss vermittelt. Der menschliche und künstlerische Kontakt war rasch hergestellt, zumal Stefan Zweig den Komponisten sehr verehrte und dieser wiederum die weitläufige Art und handwerkliche Geschicklichkeit Zweigs zu schätzen wußte. Es dauerte nicht lang, und der neue Librettist konnte dem bereits ungeduldig wartenden Komponisten einen „Morosus”-Entwurf zusenden. Dies war der Arbeitstitel des frei nach der Komödie „Epicoene or The Silent Women” von Ben Jonson (1573 bis 1637) geschriebenen Librettos zur „Schweigsamen Frau”.

Bereits am 20. Oktober 1934 war die Partitur vollendet, und die Uraufführung fand am 24. Juni 1935 in Dresden statt. Was sich vorher und nachher in ihrem Umkreię ereignet hat, ist ein trübes Kapitel deutscher Kulturgeschichte — das sich heute aber eher wie eine Farce ausnimmt. Man kann Näheres darüber in dem von Willi Schuh sorgfältig herausgegebenen Briefwechsel zwischen Strauss und Zweig, erschienen im S.-Fischer-Verlag, nachlesen. Die Schwierigkeiten verursachte Zweigs nicht vorhandener Ariernachweis. Das Ergebnis des peinlich-mühsamen Hin und Her („Darf das Werk eines Juden vor dem Führer und dem Propagandaminister, ja darf es überhaupt gespielt werden?”) endete damit, daß die Premiere zwar gestattet, die Oper aber nach drei Aufführungen abgesetzt und auf keiner Bühne innerhalb des Großdeutschen Reiches gespielt wurde. Leider auch nicht in Wien, wo man sie bis 1938 ja hätte geben können … Nur in Prag und in Zürich ermannte man sich.

Doch muß, der Gerechtigkeit halber, auch gesagt werden, daß nicht nur kulturpolitische Vorsicht den Start und den Siegeszug des Werkes verhindert haben: Es ist ungewöhnlich schwer und heikel aufzuführen, erfordert lauter singende Schauspieler und ein geschlossenes Ensemble sowohl für die Einstudierung wie für die Darbietung. So kam die österreichische Erstaufführung, und zwar bei den Salzburger Festspielen, erst 1959 zustande. Karl Böhm dirigierte, Günther Rennert führte Regie, Teo Otto und Emi Kniepert schufen die Ausstattung und Hilde Güden spielte die Titelpartie. Sir Morosus war Hans Hotter, der jetzt, bei der Wiener Premiere, Regie führen wird. — Nach Salzburg nämlich sollte das Werk sogleich an die Wiener Staatsoper transferiert werden, aber es kam nicht dazu. Grund: Besetzungsschwierigkeiten.

Diese scheinen nun überwunden. Jedenfalls hat man bereits im Juni des vergangenen Jahres mit den Proben begonnen und jetzt, vor dem in Aussicht genommenen Premierentermin, fünf Wochen lang hart gearbeitet. Hans Hotter, dem Werk von Richard Strauss seit bald 20 Jahren verbunden und zahlreiche Strauss- Rollen verkörpernd, ist froh, vom Wagner-Fach als Regisseur ein wenig wegzukommen. — Silvio Varviso, der etwa 40jährige Schweizer italienischer Abstammung, hat vor 10 Jahren zum erstenmal eine Strauss-Oper dirigiert, und zwar „Ariadne” in Berlin beim Theater der Nationen. „Die schweigsame Frau” leitet er, natürlich, zum erstenmal, nur die Ouvertüre hat er im Schweizer Rundfunk dirigiert. Das machte ihm Lust auf mehr, und als er nach Stockholm als Opernchef berufen wurde, wollte er das Werk dort gerne herausbringen. Aber es scheiterte an Sprachschwierigkeiten. — Vielleicht nicht nur an diesen … Die Wiener Staatsoper bringt die „Schweigsame Frau” mit hauseigenen Kräften. Man kann auf die Premiere iresnannt sein.

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