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Alternative Agrarpolitik

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Agrarprodukte dienen kaum mehr als Energieträger, werden vielfach importiert. Österreichs Bauern produzieren daher vorwiegend Milch, Vieh und Getreide. Davon jedoch leider zuviel...

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Agrarprodukte dienen kaum mehr als Energieträger, werden vielfach importiert. Österreichs Bauern produzieren daher vorwiegend Milch, Vieh und Getreide. Davon jedoch leider zuviel...

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Ein befriedigender Ausweg aus der Krise zeichnet sich nur ab, wenn die heimische Urproduktion Aufgaben, die sie im Laufe der Zeit verloren hat, wieder zurückgewinnt, wie die verstärkte Belieferung des Energiemarktes, die Importsubstitution und die Erschließung von Marktnischen im Export.

Auf einer Fläche von etwa 170.000 Hektar wachsen derzeit Körnerfrüchte, die letztlich exportiert werden müssen. Dieses Ausmaß an Flächen stünde maximal für eine anderweitige Nutzung zur Verfügung, wenn man die Kosten der Getreideexporte verringern wollte.

Das gesamtwirtschaftlich viel größere Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit in den ländlichen Gebieten. Als Folge der ständigen Rationalisierung werden jährlich zusätzliche Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft freigesetzt. Diese Arbeitskräfte finden teilweise keine Aufnahme am Arbeitsmarkt und bleiben unbeschäftigt.

Daher kann man die Produktionsalternativen in der Urproduktion in zwei große Gruppen unterteilen: Kulturen als Flächenalternativen und Kulturen als Beschäftigungsalternativen.

Alle Kulturen, die mit dem Mähdrescher zu ernten sind und einen Arbeitsaufwand von 20 bis 40 Stunden je Hektar erfordern, sind Flächenalternativen. Sie sind im Hinblick auf die Entlastung des Getreidemarktes von Bedeutung, jedoch für den Arbeitsmarkt ohne Relevanz.

Ganz anders sind jene Kulturen zu beurteilen, die einen Arbeitsaufwand von 500 bis 2500 Stunden je Hektar erfordern. Sie sind nur für Betriebe interessant, die im Verhältnis über wenig Fläche, aber über viele Arbeitskräfte verfügen.

Analysiert man die Entwicklung der letzten Jahre, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß vieles nach einer Defensivstrategie abläuft:

• Der Getreidemarkt darf nicht zusammenbrechen, daher muß ein Exportmodell gefunden werden.

• DieKostenfürdieMilchexpor-te dürfen nicht immer weiter steigen, daher ist die Kontingentierung gekommen.

• Viehexporte kommen billiger als Milchexporte, daher wird die Umstellung auf die Viehwirtschaft empfohlen. Diese Strategien haben nicht ausgereicht, um die agrarischen Probleme vom Standpunkt der bäuerlichen Einkommensbildung in den siebziger Jahren zufriedenstellend zu lösen.

Gehen wir davon aus, daß über folgende Ziele Ubereinstimmung besteht:

• Der bäuerlichen Landwirtschaft ein paritätisches Einkommen zu sichern und die weitere Abgabe von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft zu verlangsamen.

• Die vorhandenen und erforderlichen Mittel für die Absatz-und Preissicherung sowie Arbeitsmarktunterstützung ökonomisch optimal einzusetzen.

• Die Umweltbelastung drastisch zu verringern.

Diese grundsätzliche Änderung im agrarpolitischen Instrumentarium ist eine Voraussetzung für eine gezielte Entwicklung von Produktionsalternativen. Es kann nicht ernsthaft angenommen werden, daß neue Produktionssparten sich im rauhen Wettbewerb des Weltmarktes entwik-keln, während gleichzeitig die Hauptprodukte immer höhere Beträge an Exportsubventionen erfordern.

Außerdem wäre zu prüfen, wie weit Mittel der Arbeitsmarktverwaltung zur Förderung von Kulturen als Beschäftigungsalternative zusätzlich eingesetzt werden könnten.

Folgende neue Möglichkeiten bieten sich also an:

Der Olsaatenanbau ist als Alternative an erster Stelle zu nennen. Eine Flächenausdehnung über 40.000 Hektar erscheint vom Absatz her realistisch.

Der Anbau von Eiweißfrüchten, wie Pferdebohne oder Körnererbsen, ist eine weitere Möglichkeit. Der Anbau von 10.000 bis 20.000 Hektar innerhalb weniger Jahre müßte durchaus erreichbar sein.

Die Aufnahme der Biospriterzeugung hätte einen mehrfachen Effekt. Je nach Umfang der Beimischung würden 50.000 bis 100.000 Hektar Fläche dadurch gebunden werden.

Die Produktion von Rohstoffen für die Wärmeerzeugung wird als Alternative vielfach unterschätzt. Wenn die Nachfrage durch Errichtung weiterer Heizzentralen auf Holzbasis steigt, wäre es durchaus denkbar, daß die Waldfläche auf Kosten anderer landwirtschaftlicher Flächen ausgedehnt und teilweise auch durch schnell wachsende Holzarten ein vermehrtes Angebot für diese Wärmelieferung erzeugt wird.

Kulturen als Beschäftigungsalternativen: Im Obstbau gibt es nur sehr beschränkte Möglichkeiten. Vor einer Ausdehnung der Apfelfläche muß gewarnt werden. Bei Beeren- und Steinobst gäbe es gewisse Möglichkeiten, aber auch nur dann, wenn die Außenhandelsbestimmungen im Sinne der Landwirtschaft verbessert und für gewisse Kulturen ausreichende Förderungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Im Gemüsebau liegen die Dinge ähnlich. Gewisse Chancen bieten sonstige Sonderkulturen, wie Tabak, Hopfen, Heilkräuter, eventuell auch Mutterkorn.

Im viehwirtschaftlicheh Bereich gibt es gewisse Ansätze einer Produktionsausdehnung etwa bei den Schafen, in der Imkerei, da und dort in der Fischwirtschaft.

Der Autor ist Kammeramtsdirelrtor der stei-rischen Kammer für Land- und Forstwirtschaft, sein Beitrag ein Auszug aus „Agrarische Rundschau" 2/84.

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