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Denkmäler des Patriotismus

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In unseren Opernführern sucht man die großen (uns jedoch weitgehend unbekannten) Namen armenischer Komponisten vergeblich, und doch müßte man ihre Werke auf vorderen Blättern beschreiben, will man sie ihrem künstlerischen Wert entsprechend einreihen. Die armenischen Opern, die von einem hohen Kulturgeist durchdrungen sind, waren von unseren Musikforschern länger als ein Jahrhundert unbeachtet geblieben und sind heute hochinteressante Studienobjekte.

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In unseren Opernführern sucht man die großen (uns jedoch weitgehend unbekannten) Namen armenischer Komponisten vergeblich, und doch müßte man ihre Werke auf vorderen Blättern beschreiben, will man sie ihrem künstlerischen Wert entsprechend einreihen. Die armenischen Opern, die von einem hohen Kulturgeist durchdrungen sind, waren von unseren Musikforschern länger als ein Jahrhundert unbeachtet geblieben und sind heute hochinteressante Studienobjekte.

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Kunstkritiker meinen, daß sie in Europa großen Anklang finden würden: neben den leidenschaftlich bewegten und mitreißenden Handlungen kann die Musik einen genialen Melodienreichtum aufweisen und übt einen exotischen Reiz aus, bringt das nationale Temperament der Armenier zündend zum Ausdruck.

Die moderne Operngeschichte Armeniens beginnt 1868. Tigran Choukhadjian, ein Westarmenier (Musikstudium unter einem italienischen Musiklehrer in Istanbul, dann in Mailand), hatte die Oper „Arshak 11.“ komponiert, die damals im Hause des bekannten Architekten Istanbuls, Hagop Balian, das erste Mal aufgeführt wurde. Wie später seine Nachfolger griff er das zentrale Thema Armeniens auf, den Kampf gegen Fremdherrschaft und Unterdrückung (die Handlung berichtet vom Widerstand der armenischen Königsfamilie aus dem 4. Jahrhundert gegen die Perser).

Mit dieser Oper leitete Choukhadjian nicht nur eine neue Epoche in der Geschichte der armenischen Kunstmusik ein, er war es auch, der als erster Kontakte mit den Musikzentren des Westens suchte und sich bemühte, Oper, Symphonie und Kammermusik in das nationale Musikgeschehen einzugliedern.

Große Beliebtheit haben die Opern von Armen Tigranian (geboren 1879) erlangt. Er schrieb „Anusch“ (1912), eine gefühlvolle Liebesgeschichte zweier junger Menschen, die durch Feindschaft und Rache zerstört wurde. Viele Melodien und Arien dieser Oper sind längst Volkslieder geworden — „Anusch“ erfreute sich bald größter Popularität in ganz Armenien, und tatsächlich, die musikalische Schönheit, die feine Vertonung seelischer Regungen, die unendlich gefühlvolle Darstellung, der melodische Reichtum begeistern auch heute.

Tigranians zweite Oper „David- Bek“ erzählt eine Episode aus dem 2000jährigen Kampf Armeniens um die Freiheit. In den Chören glüht der Revolutionsatem, herrliche Melodien werden zum Symbol für die Verteidigung des Vaterlandes, den heldenhaften Aufstand gegen Unterdrücker, die Freundschaft mit den Verbündeten: Armeniern, Georgiern, Russen.

Obwohl damals vieles entstand, gab es ein fast unüberwindbares Hindernis für die Darbietung und Bekanntmachung der Stücke: das Fehlen eines geeigneten, großen Opernhauses. Wer die Geschichte Armeniens kennt, wundert sich darüber nicht so sehr wie über die Tatsache, daß auch in den schweren Zeiten, die von grausamen Verfol-

gungen seitens der Türken gekennzeichnet waren, an Musikkultur gedacht wurde.

Erst am 20. Juni 1933 fand in der neugeschaffenen Sowjetrepublik Armenien die feierliche Eröffnung des großen Opernhauses in Jerewan statt, dessen bemerkenswerte architektonische Form an die große Pa- lastkirche Armeniens, Swartnotz, erinnern soll. Die Oper wurde nach einem armenischen Komponisten, Alexander Spénddrian,benannt (seinen 100. Geburtstag feierte man am 1. November dieses Jahres). Spenda- rians Vorbild wurde sein Lehrer und späterer Bewunderer: Rymski- Korsakow, auch zählten viele große Vertreter russischer Kultur zu seinen engsten Freunden: Glasunov, Lia- dow, Arenski, Tschechow, Gorki, Rjepin, Rachmaninow.

Die Oper „Almast“, am Eröffnungsabend des Opernhauses aufgeführt, war sein ausdrucksvollstes Werk. Der Handlung liegen Gedichte des armenischen Klassikers Toumanian zugrunde: wieder wird das Thema der Heimatverteidigung aufgeworfen, ein musikalisches Denkmal für den Patriotismus sei-

nes Volkes. Das Leitmotiv der Soldaten, ein Chor der Mädchen mit weichen, sanften Liedern, der graziöse Tanz der Frauen und schließlich der feurige, ungestüme Männertanz bilden großartige, kontrastvolle Höhepunkte in den drei Akten. Über all dem aber steht der tiefe, menschliche Gedanke der Oper: die Greuel des Krieges deutlich zu machen und das friedliche Leben in all seiner Poesie, mit all seinen Freuden zu verherrlichen.

Weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt ist der Komponist Aram Chatschaturian, dessen Ballette „Gajaneh" (Schwerttanz) und „Spartacus“ auf der ganzen Welt gespielt werden. Die Folklore der Heimat nimmt auch in seinen Werken eine wichtige Rolle ein, ein charakteristisches, kurzatmiges Melos übt in ostinaten Rhythmen eine rauschhaft betäubende Wirkung auf die Zuhörer aus und hat entscheidend seinen Erfolg mitbestimmt.

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