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Die Beamtenlawine rollt

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Bruno Kreiskys Präferenz für die „Blutgruppe Null“, mit deren Hilfe er sein liberales Image immer wieder auf Hochglanz poliert, gilt nur für die allerhöchsten Regionen, für die Männer im Rampenlicht: Wenn es um einen Bundespräsidenten, um Minister, Staatssekretäre oder sonstige Persönlichkeiten im Blickpunkt der Öffentlichkeit geht, sind Parteilose und noch mehr solche, die ihr schwarzes oder blaues Parteibuch — infolge „besserer Einsicht“ — zum rechten Zeitpunkt zerrissen haben, sehr gefragt. Hinter den Kulissen ist allerdings von so viel parteipolitischer Selbstlosigkeit wenig zu bemerken.

Auf der Ebene der Hochbürokratie kam es — von der Öffentlichkeit unbemerkt — zu sehr spektakulären Karrieren, welche samt und sonders geeichten und in der Wolle gefärbten sozialistischen Parteigängern zuteil wurden. Dies gilt vor allem für die mehr als hundert .Persönlichen Referenten“ der Minister, die in den einzelnen Ressorts als graue Eminenzen — speziell auf dem Gebiet der Personalpolitik — fungieren. Zumeist handelt es sich dabei um Personen, welche von „politisch nahestehenden“ Organisationen — Ge-weiikschaften, Arbeiterkammern — „ausgeborgt“ und zunächst mit Sonderverträgen eingestellt, sehr bald aber — wenigstens zum Großteil — in die hohen und höchsten Ränge der pragmatisierten Bürokratie eingeschleust werden, ahne die normale „Ochsentour“ in der Hierarchie durchgemacht zu haben.

Zweifellos, derartiges gab es auch schon unter der Regierung Klaus. Aber was damals nur in Einzelfällen zutraf — welche dementsprechend gehörig auffielen —, ist unter der Ägide Kreisky zur Massenerschei-nung geworden, die niemand sehr beachtet. Dies um so mehr, als es die schwarze Opposition — sehr im Gegensatz zur roten von ehedem — unterlassen hat, aus jeder einzelnen dieser Blitzkarrieren einen „Fall“ zu machen, der in der Öffentlichkeit genüßlich breitgetreten würde.

Das Fazit dieser Entwicklung zog nun der personalpolitische Referent des ÖAAB im öffentlichen Dienst, Günther Engelmayer, in seiner Broschüre .Personalpolitik im öffentlichen Dienst 1970 bis 1976“: Seit Installierung der Regierung Kreisky I bis 1975 sind bereits 64 dieser in der Zwischenzeit eingestellten Persönlichen Referenten in hohen Positionen — vorwiegend im Staatsdienst — fixiert worden, wobei sie als nichts Geringeres denn als Sektionsleiter, Abteilungs- und Gruppenleiter und Botschafter fungieren.

Aber diese Blitzkarrieren sind nur /die Spitze des Eisbergs. Von den 700 Schlüsselpositionen im Ministe-rialdienst hat die Regierung Kreisky allein bis 1974 drei Viertel neu besetzt, wobei die Gesinnungsfreunde mit oder gelegentlich auch ohne sozialistisches Parteibuch eindeutig dominieren.

Nicht anders verhält es sich bei den unteren Rängen — und auch bei den Neueinstellungen soll das sozialistische Parteibuch nicht gerade von Nachteil sein, speziell dann, wenn es sich um Posten in den zentralen Dienststellen handelt. Die Entwicklung soll bereits solche Dimensionen angenommen haben, daß die dominierende Stellung des ÖAAB in der Beamtengewerkschaft ernstlich als gefährdet erscheint.

Während also in der „Beletage“ personalpolitischer Liberalismus und parteipolitische Neutralität zelebriert werden, werden in den unteren, weniger „publicitygefährdeten“ Regionen die Bastionen parteipolitisch aufgebrochen. Die Taktik ist dabei situationskonform variabel: Gegen dje ÖVP-Bastion in der Agrarbürokratie, die gegen personal-politische Infiltration weitgehend immunisiert ist, wird die Taktik des Aushungerns angewendet: Immer mehr wichtige Agenden werden abgezogen, immer mehr Entscheidungen anderen Gremien zugeschanzt. Im öffentlichen Dienst sind die Methoden direkter.

Diesen parteipolitischen Back-ground muß man erst „transparent“ machen, will man die Ursachen der Personallawine, welche seit 1970 losgetreten wurde und weit über das „natürliche“ Wachstum der Bürokratie hinausging, ganz verstehen. Denn neben dem „Parkinsonschen Gesetz der permanenten Schreibtischvermehrung“ aus bürokratieimmanenten Ursachen wird hier auch noch ein neulinkes „Gesetz“ des gar nicht so langen Marsches durch die Institutionen wirksam.

Sicherlich, auch unter der ÖVP-Alleinregierungsphase haben sich im Laufe von vier Jahren die ministeriellen Abteilunigen um 53 vermehrt. Der Unterschied liegt allerdings in den Dimensionen: Allein im ersten Regierungsjahr des Kabinetts Kreisky hat die Zahl der Abteilungen um 63 zugenommen. Dies war nicht zuletzt auf die Schaffung zweier neuer Ministerien zurückzuführen, obwohl die Regierung Eide geschworen hatte, die Ressortteilung werde keine neuen Schreibtisch-pläfcze produzieren. Aber auch in den darauffolgenden Jahren ist die Zahl der Abteilungen munter weitergewachsen. Insgesamt haben sich die Planstellen in den Ministerien von 1970 bis Ende 1975 um 10,7 Prozent vermehrt, wohingegen die Vermehrung im öffentlichen Dienst insgesamt „nur“ 4,9 Prozent betrug.

Eine solche Entwicklung läßt sich nicht damit entschuldigen, daß bloß zweieinhalb Prozent der insgesamt 286.000 öffentlichen Bediensteten in den „Zentralstellen des Bundes“ arbeiten. Die Schreibtische in den Ministerien haben nun einmal eine Multiplikatoreneinwirkung und tragen entscheidend zur Vermehrung der Dienstposten auch in den nachgeordneten Dienststellen bei. Denn daß dort lediglich die Zahl der Lehrer und Polizisten vermehrt worden sei, ist leider nur eine schöne Phrase.

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