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... eben „weiße Eroberer“

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In Israel wütete der Krieg. Die Zeitungen waren voll von Frontberichten und nur auf der letzten Seite erschien die Nachricht, daß nun auch die drei wichtigsten afrikanischen Staaten die diplomatischen Beziehungen mit Israel abgebrochen hätten. Es handelte sich um Kenia, Nigerien und Äthiopien. Diese Zeitungsnotiz war der Schwanengesang der israelischen Präsenz in Afrika.

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In Israel wütete der Krieg. Die Zeitungen waren voll von Frontberichten und nur auf der letzten Seite erschien die Nachricht, daß nun auch die drei wichtigsten afrikanischen Staaten die diplomatischen Beziehungen mit Israel abgebrochen hätten. Es handelte sich um Kenia, Nigerien und Äthiopien. Diese Zeitungsnotiz war der Schwanengesang der israelischen Präsenz in Afrika.

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Der verstorbene Ministerpräsident Levi Eschkol hatte eine besondere Vorliebe für den Schwarzen Kontinent. Er hatte ihn noch in seiner Funktion als Finanzminister bereist und dann das “Wort geprägt: „Unser Weg nach Kairo führt über Bamaco und Abidjan.“ Allem Anschein nach hat er sich aber geirrt, und wenn eines Tages doch noch ein Israeli bis Kairo kommen sollte, so gewiß nicht durch Vermittlung des afrikanischen Friedensapostels Jomo Kenyatta, sondern eher dank dem jüdischamerikanischen Friedensnobelpreisträger Prof. Henry Kissinger. Im Mai dieses Jahres erklärte der Generaldirektor des israelischen Finanzministeriums, Abraham Agmon, noch stolz, daß die israelischen Handelsbeziehungen mit Afrika im Jah-. re 1972/73 sich auf 60 Millionen Dollar belaufen hätten. Und dies trotz des abrupten Abbruchs der Beziehungen Ugandas mit Israel. Im Jahre 1972 exportierte Israel für 37 Millionen Dollar nach Afrika und importierte für 20 Millionen. Außerdem gab es noch an die 50 Millionen Dollar israelischer Investitionen in den verschiedenen afrikanischen Staaten. Die wichtigsten Länder, aus denen Israel importierte, waren die Zentralafrikanische Republik, Libe-rien, Äthiopien, Kenia und Gabun. Die wichtigsten Abnehmer Israels in Afrika waren Nigerien, Liberien,

Sambia, Äthiopien, Kenia und Ghana.

Der Abbruch der Beziehungen ist nicht nur ein schwerer politischer Schlag für Israel, er schädigt es auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Um nur ein Beispiel zu nennen: die Kontakte Äthiopiens zu Israel waren besonders herzlich. Israelis, die dorthin reisen wollten, erhielten Begünstigungen, um den äthiopischen Tourismus anzukurbeln. Israelische Professoren bauten die Universität von Addis Abeba aus, eröffneten einige Krankenhäuser und richteten die erste Blutbank ein. Israelische Ausbildner unterrichteten äthiopische Soldaten im Umgang mit modernen Waffen und sogar die Nätio-nallotterie Israels diente als Vorbild für eine ähnliche Institution, die in Addis Abeba entstand. Kaiser Haile Selassie betonte wiederholt die tiefe Verbundenheit der beiden Staaten.

Die moslemische Untergrundbewegung in Äthiopien, die Nachbarschaft der mohammedanischen Somalis und des angrenzenden mohammedanischen Sudan bildeten zwar schon immer ein Hindernis, aber mitunter mußte auch der Kaiser Äthiopiens die Kontaktfreudigkeit seiner Untertanen zu Israel eindämmen. Die Bedeutung Äthiopiens für Israel besteht in seiner Nähe zur Meerenge von Bab-el-Mandeb, wo heute ägyptische Kriegsschiffe die

freie Schiffahrt nach Eilat, dem Roten-Meer-Hafen Israels, blockieren.

In Kenia hat die israelische Fluglinie El-AI Landeerlaubnis und unterhält dort eine Filiale. Sie besitzt außerdem zwei Siebentel des Nairobi-Hilton-Hotels. Das Kilimandscharo-Hotel gehört einer anderen israelischen Gesellschaft. Ferner besitzen Israelis in Kenia eine Fabrik für hydraulische Ausrüstungen, einen Viehfuttermischbetrieb, eine Fabrik für Plastikgeschirr und eine Firma für Baugerüste.

Die Liste ließe sich mit israelischen Investitionen in anderen Ländern Afrikas fortsetzen; viele Israelis haben ihr Privatkapital in afrikanischen Ländern angelegt. Während der Blütezeit der gegenseitigen Beziehungen waren in Afrika über 2500 israelische Entwicklungshelfer beschäftigt. (Seither ist diese Zahl allerdings gesunken.) 12.000 Afrikaner absolvierten in Israel Ausbildungskurse. Damals besuchten zehn Präsidenten schwarzer Länder den Judenstaat, und über hundert Minister folgten ihnen. Israel spezialisierte sich auf Entwicklungshilfe durch Know-how.

Die Eskalation der Kontakte begann 1967, nach dem Sechstagekrieg. Israelische Instruktoren bildeten Afrikaner in paramilitärischen Jugendorganisationen aus, wie sie allenthalben gegründet wurden. Es wurde der Versuch gemacht, die Idee der israelischen Kollektivsiedlungen in Afrika heimisch zu machen. Überall, wo Amerikaner, Russen, Engländer und Franzosen nicht beliebt waren, weil man die „weißen Imperialisten“ nicht mehr sehen

wollte, waren die Israelis gern gesehene Gäste. Allmählich aber wurden auch sie zu „Eroberern“ in den Augen der Afrikaner. Die Israelis hatten Ägypten, einen afrikanischen Staat, besiegt, und das besiegte Heer auch noch in den Augen der ganzen Welt lächerlich gemacht. Die illustrierten Zeitungen zeigten Bilder afrikanischer Soldaten, die ihre Schuhe fortgeworfen hatten, um besser fliehen zu können, Soldaten, die ihre Besieger um Wasser anbettelten. Das erinnerte allzusehr an Kriegserlebnisse der Kolonialvöiker mit ihren Kolonialherren. Das Mißtrauen gegen die „weißen Eroberer“ verstärkte sich, als die arabischen Staaten immer mehr Geld in das Schwarze Afrika pumpten, als insbesondere Libyen und Saudi-Arabien alles unternahmen, um die afrikanischen Staaten von ihrer

Sympathie zu Israel abzubringen. Langsam setzte sich-, der Widerwillen gegen den israelischen „Eroberer“ durch. Erst waren es nur die mohammedanischen Staaten, die libysches Geld erhielten und daraufhin die Beziehungen zu Israel abbrachen. Dann kam jene Allafrikani-sche Konferenz zustande, auf welcher der geheime Beschluß gefaßt wurde, sich mit dem afrikanischen Staat Ägypten zu solidarisieren und die Beziehungen mit Israel abzubrechen. So wechselten fast alle Staaten des Schwarzen Afrika — insgesamt sechsundzwanzig — ins arabische Lager über. Erst wenn Frieden im Nahen Osten herrschen wird, besteht Aussicht, daß sich die Verhältnisse wieder normalisieren. In der Zwischenzeit versucht Israel wenigstens seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Schwarzafrika zu retten.

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