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Freiheit zum Probieren

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In den Koalitionsgesprächen ging es darum, was SPÖ und FPÖ gemeinsam tun wollen. Hier steht, was sie tun sollen: Wünsche an die neue Regierung zu Medienpolitik und Schule.

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In den Koalitionsgesprächen ging es darum, was SPÖ und FPÖ gemeinsam tun wollen. Hier steht, was sie tun sollen: Wünsche an die neue Regierung zu Medienpolitik und Schule.

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Der neue Unterrichtsminister steht vor einer Aufgabe, die im Wahlkampf kaum erwähnt wurde: die innere Schulreform.

Die Schulsprecher der beiden Großparteien, Hans Matzenauer (SPO) und Hans Katschthaler (ÖVP), zeigten sich in einer Diskussion des Klubs der Bildungsjournalisten (kurz vor den Wahlen) in einem Punkt einig: Nicht neue Gesetze, sondern Durchführung der alten. Und dabei kommt der inneren Schulreform ein wichtiger Platz zu.

Universitätsprofessor Marian Heitger, Ordinarius für Pädagogik an der Universität Wien und Mitglied der Schulreformkommission seit ihrem Beginn, hat hierzu eine Reihe von Vorschlägen und Forderungen parat. An erste Stelle setzt Heitger die Forderung, der Erziehung mehr Raum zu geben — nicht als Manipulation von außen, sondern als deutliche Werterziehung.

Er trifft sich hier mit Katschthaler, der ein „Bildungskonzept der ethischen Festigkeit” fordert.

Die Erziehung darf nicht indok- trinieren, sagt Heitger, sondern Orientierung an den Grundwerten bieten, wie sie unser Selbstverständnis von Mensch, Staat und Gesellschaft definiert. Dazu gehören Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, Toleranz und Engagement für den Mitmenschen, die Absage an Gleichgültigkeit und Opportunismus, die Gewissenstreue.

Um dieser Grundforderung gerecht werden zu können, wird man die Lehrpläne nicht nur durch „Sichten und Lichten” reformieren müssen, sondern durch ein neues Konzept, das die Lebensbereiche des Menschen wie Sprache, Geschichte, Umwelt, Religion, Natur in neue Zusammenhänge stellt.

Wenn von einer Repädagogisie- rung der Gesellschaft gesprochen wird, wird diese bei der Lehrerbildung anfangen müssen, meint Heitger. Diese Lehreraus- und -fortbildung wird im Sinn der Werterziehung erfolgen müssen.

Katschthaler liegt die Familie als Hauptträger der Erziehung am Herzen — sie gilt es zu stärken, meint er. Den Eltern müsse wieder Mut für die Erziehung gemacht werden.

Besondere Betonung wird das soziale Lernen erhalten müssen, fordert Heitger weiter, die Pflege der und die Erziehung zu mehr

Mitmenschlichkeit — denn aus ihr müssen dann neue Sozialstrukturen erwachsen.

Die Verstärkung der Erziehung in der Schule erfordert bessere Arbeitsbedingungen für den Lehrer in überschaubaren Schulen, kleineren Klassen, in denen das gemeinsame Lernen intensiviert werden kann, zählt Katschthaler auf.

Ein Abbau der Verbürokrati- sierung, wie sie das Schulunterrichtsgesetz gebracht hat, sollte mehr Freiheit zum Ausprobieren bringen, ergänzt Heitger.

Konkret: Die Lehrer sollen selbst ausprobieren können, welche Klassengröße, welche Schulgröße die besten Ergebnisse verspricht, wie die Konferenzen der Lehrer, das Gespräch mit Eltern und Schülern am besten ablaufen. Hier sollte eine breite Palette von Variationen angeboten werden, um zum optimalen Ergebnis zu kommen.

Das würde auch der Besserung der Schulatmosphäre zugute kommen. Sie sollte so gepflegt sein, daß der Lehrer wieder Freude am Beruf, der Schüler Freude am Lernen hat - ohne ständige staatliche Eingriffe.

Der Studientag „Erziehung - Hoffnung oder Resignation?” im März legte etliche Anregungen auch zur inneren Schulreform vor. Hier wurde vor allem betont,

„Im Bereich der politischen Bildung könnten mutigere Bemühungen gestartet werden, christliches Gedankengut in die Politik einzubringen.”

daß bei dieser Aufgabe auch die Kirche nicht abseits stehen dürfe und selbst Angebote zur Lehrerfortbildung stellen sollte.

Religion als Fundament aller Bildung ist für alle Erzieherstufen wichtig, die Erziehung im Sinn christlicher Nächstenliebe hätte weit über den religiösen Bereich hinaus Bedeutung.

Die Kirche verfügt heute bereits über verschiedene Institutionen der Lehrer- und Erwachsenenbildung, die unter diesem Gesichtspunkt integriert werden könnten.

Hier könnten im Bereich der politischen Bildung mutigere Bemühungen gestartet werden, christliches Gedankengut in die Politik einzubringen, Entscheidungshilfen zur Lösung politischer Probleme aus christlicher Sicht. Moral in der Politik wäre mehr wert als immer neue Gesetze, die die Unmoral in den Griff bekommen sollen.1

Von hier aus sollte auch immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine humane Gesellschaft ohne Fundierung in der Religion ständig gefährdet ist. Sie unterliegt der Gefahr des Totalitarismus, der Brutalität, Kirche und Gläubige müssen den Mut haben, darauf immer wieder hinzuweisen.

Konkrete Forderung dazu: Bei Abmeldung vom Religionsunterricht müßte ein religiöser Philosophieunterricht an seine Stelle treten, um wenigstens einen gewissen Ersatz zu bieten und die Versuchung zu mindern, wegen einer freien Stunde auf die Auseinandersetzung mit diesen Grundfragen des Menschseins zu verzichten.

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