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Ich sehe schwarz“
Der dritte Ausschuß für soziale, humanitäre und kulturelle Angelegenheiten der UNO hat die zionistische Bewegung aufs schärfste verurteilt. Die UNO-Vollversammlung mit ihrer kommunistischen-arabischen-afrikanischen Mehrheit hat diesen Beschluß gegen die Stimmen der westlichen Länder bestätigt. Nachum Goldmann (80), Präsident des jüdischen Weltkongresses, ist einer der prominentesten Zio-nistenführer, der seit den zwanziger Jahren in der zionistischen Bewegung eine führende Rolle gespielt hat. Wir sprachen mit Goldmann dieser Tage in seiner Wohnung in Jerusalem, in der er sich zwei- bis dreimal im Jahr aufhält.
Der dritte Ausschuß für soziale, humanitäre und kulturelle Angelegenheiten der UNO hat die zionistische Bewegung aufs schärfste verurteilt. Die UNO-Vollversammlung mit ihrer kommunistischen-arabischen-afrikanischen Mehrheit hat diesen Beschluß gegen die Stimmen der westlichen Länder bestätigt. Nachum Goldmann (80), Präsident des jüdischen Weltkongresses, ist einer der prominentesten Zio-nistenführer, der seit den zwanziger Jahren in der zionistischen Bewegung eine führende Rolle gespielt hat. Wir sprachen mit Goldmann dieser Tage in seiner Wohnung in Jerusalem, in der er sich zwei- bis dreimal im Jahr aufhält.
FURCHE: Was sind die wichtigsten Probleme, die die Juden heute beschäftigen?
GOLDMANN: In der Außenpolitik muß die Existenz des Judenstaates sichergestellt werden. Die Chancen hierzu sind heute größer als zuvor, allerdings nur, wenn die israelische Regierung eine vernünftige Außenpolitik betreibt.
Das zweite Problem sind die dreieinhalb Millionen Juden in der Sowjetunion, die physisch nicht bedroht, doch einem starken psychischen Druck ausgesetzt sind, sich völlig zu assimilieren. Ihr Hauptproblem ist nicht die Auswanderung, sondern die Möglichkeit, nicht nur als nationale Minderheit anerkannt zu sein, sondern auch als solche leben zu können.
FURCHE: Und was ist mit den Juden Europas und Amerikas?
GOLDMANN: In der Vergangenheit beruhte die Existenz des jüdischen Volkes auf der ungeheuren Macht der jüdischen Religion, die das Leben der Juden völlig beherrschte. Mit Hilfe des Antisemitismus haben die Nicht-
Juden den Juden auch keine andere Möglichkeit offengelassen, als nur jüdisch zu sein. Heute ist die jüdische Religion nur noch ein Faktor für eine größere Minderheit unter den Juden. Die Tatsache, daß viele Juden ein- bis zweimal im Jahr in die Synagoge gehen, sichert noch lange nicht
die Existenz dieses Volkes. Der Antisemitismus hingegen, wobei man an Judenverfolgungen im Dritten Reich denkt, an Verfolgungen im zaristischen Rußland sowie an den eingefleischten polnischen Antisemitismus, ist heute relativ bedeutunglos geworden.
FURCHE: Wie aber steht es um die Chancen Israels?
GOLDMANN: Wir In der zionistischen Bewegung haben das arabische Problem vernachlässigt und immer angenommen, die Araberwürden uns mit offenen Armen empfangen. Hätten wir die Bemühungen bei europäischen Ländern Sympathie für einen Judenstaat zu gewinnen, bei den Arabern investiert, wäre die Situation eine ganz andere gewesen. Heute ist es deshalb für die Israelis so schwer, sich umzustellen, wobei gerade der Jom-Kippur-Krieg etwas dazu beigetragen hat.
Meiner Ansicht nach muß Israel um jeden Preis mit den Nachbarstaaten Frieden schließen. Sollte der Kriegszustand noch lange andauern, sehe ich schwarz für den Judenstaat. Die Situation ist heute schon fast unhaltbar. Israel gibt über 50 Prozent des Budgets für die Sicherheit aus. Amerika unterstützt den Judenstaat mit fast 3 Milliarden Dollar pro Jahr — das wird auch den Amerikanern zu viel. Deswegen müssen die Israelis sich um jeden Preis mit den Arabern verständigen.
Mit Nachum Goldmann sprach FURCHE-Korrespondent Shraga Har-Gil.
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