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Nahezu zwanzig Jahre wurde über die rechtliche Neuregelung des österreichischen Pressewesens geredet, wurden Vorschläge eingebracht und wieder verworfen. Schließlich legte 1975 Justizminister Christian Broda seinen Entwurf für ein umfassendes Mediengesetz, das das alte Pressegesetz von 1922 ersetzen sollte, dem Nationalrat vor.

Weitere fünf Jahre sollten aber noch vergehen, mit schier endlos anmutenden Ausschuß- und Expertenberatungen, bis das „Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien” am 12. Juni 1981 im Parlament beschlossen wurde.

Allein die langwierige und mitunter aufreibende Genese dieser legistischen Reform deutet auf den sensiblen gesellschaftspolitischen Hintergrund, die Brisanz dieser Materie. Stehen doch hier zwei Grundrechte unserer demokratischen Verfassung in einem beinahe unaufhebbaren Gegensatz zueinander: das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit auf der einen, der Schutz der Person und der Privatsphäre auf der anderen Seite.

Dementsprechend heftig gestaltete sich daher jede Debatte über eine Neuregelung. Ubereinstimmung konnte man lediglich in einem Punkt erzielen: Das fast sechzig Jahre alte Pressegesetz wird in keiner Hinsicht den Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft gerecht.

Das war aber auch schon der ganze Konsens. Jede noch so ausgefeilte Initiative in Richtung neues Medienrecht blieb im Widerstreit der unterschiedlichen Interessenslagen auf der Strecke.

Nicht viel besser erging es dem Broda-Entwurf von 1975. Vom ursprünglichen Gesetzestext blieben lediglich Fragmente übrig, die auch wieder nur die Zustimmung von Sozialistischer und Freiheitlicher Partei fanden.

Die Volkspartei wollte sich zu keinem Ja durchringen, weil das Mediengesetz ihrer Meinung nach zu wenig liberal ausgefallen sei, einem Maulkorberlaß für Journalisten gleichkomme.

Seit dem 1. Jänner dieses Jahres ist nun das neue Mediengesetz Realität - nach einem dreiviertel Jahr auch Zeit für eine erste Bilanz. Dabei muß vorausgeschickt werden, daß es noch rund zwei Jahre dauert, bis ein derartiges Gesetz in seinen wesentlichen Be-Stimmungen einigermaßen ausjudiziert ist.

Aber befragt nach ersten Erfahrungen mit der Rechtssprechung nach dem Mediengesetz, fällt das Urteil aller Betroffenen—Journalisten, Zeitungsverleger, Rechtsanwälte, Presserichter — grundsätzlich positiv aus.

Stephan Ruggenthaler, Presseanwalt in Wien, gibt zu, daß er selbst über das neue Gesetz wegen seiner zahlreichen Unebenheiten „furchtbar geschimpft” hat. Heute fällt sein Urteil entscheidend milder aus: „Das Gesetz ist für die Medienlandschaft in Summe ein Positivum.”

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Sekretär der Journalistengewerkschaft Michael Kress, der sogar von einem leichten Rückgang der Presserechtsdelikte seit Jänner zu berichten weiß. Kress gießt seine Einschätzung des Mediengesetzes und der Auswirkungen auf die journalistische Alltagsarbeit in die Formel: „Wir haben gute Erfahrungen, weil wir bisher keine schlechten gemacht haben.”

Selbst der Generalsekretär des Zeitungsherausgeberverbandes, Franz Ivan, meint, daß „unsere ursprünglichen Befürchtungen nicht eingetreten sind”.

Das Zehn-Jahres-Werk mag schon deshalb wenig Anlaß zur Kritik geben, als .jeder Satz ein konsensuales Gebilde” (Ivan) darstellt. Auch habe, so Ivan weiter, das gute Einvernehmen zwischen Herausgeberverband und Journalistengewerkschaft das Ärgste verhindert. Darüber hinaus blieben ja die umstrittensten Fragen im neuen Mediengesetz unbeantwortet, sie wurden ganz einfach ausgeklammert (Kabel-und Satellitenfernsehen oder Bildschirmtext zum Beispiel).

Das Mediengesetz reduziert sich damit zu einem reinen Pressestrafgesetz. Und es wurde zu einem Exerzierfeld für pfiffige Juristen.

Denn für den „normalen” Bürger bleibt dieses Gesetzeswerk unverständlich. Obwohl auch das Mediengesetz unter der Flagge „erleichterter Zugang zum Recht” segelt, stellt es sich letztlich in der Praxis als ein „unsoziales Gesetz” heraus, übt Presserichter Bruno Weis Kritik.

„Das neue Medienrecht ist ein Paradebeispiel für die nicht bewältigte Diskrepanz zwischen Rechtsstaatlichkeit und Verwissenschaftlichung des Rechts. Der kleine Mann bleibt meist auf der Strecke” (Weis).

Waffengleichheit besteht eigentlich nur zwischen potenten Zeitungsunternehmen und mächtigen Personen des öffentlichen Lebens, sprich Politikern. Letztere machen—wie die Berichterstattung rund um den WBO-Skandal zeigt — von den „Mitteilungen”, die das neue Gesetz vorsieht, ausgiebig Gebrauch.

Doch Vorsicht ist anzuraten: Einem prominenten Beteiligten soll der Verlust eines Presseprozesses mehr als 500.000 Schilling gekostet haben.

Auch das ist ein Ergebnis des neuen Mediengesetzes. Es kommt wesentlich teurer.

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