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Ausgewiesen, eingekerkert, gefährdet…

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Ausweisung des norwegischen Korrespondenten Hegge aus der Sowjetunion, für israelische Journalistinnen erst gar keine Einreisebewilligung, Ausweisung der Ausländskorrespondenten aus Pakistan, Beschränkungen für die Mitarbeiter von BBC in Indien, Einkerkerung der Brüder Yuyting, zweier philippinischer Journalisten, in Formosa, seit zehn Jahren Haft für den arabischen Journalisten Ahmed Loutfi in seiner Heimat — das war der Hintergrund der Tagung, welche das Exekutivkomitee der Internationalen Journalistenföderation IJF kürzlich in Straßburg abhielt.

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Ausweisung des norwegischen Korrespondenten Hegge aus der Sowjetunion, für israelische Journalistinnen erst gar keine Einreisebewilligung, Ausweisung der Ausländskorrespondenten aus Pakistan, Beschränkungen für die Mitarbeiter von BBC in Indien, Einkerkerung der Brüder Yuyting, zweier philippinischer Journalisten, in Formosa, seit zehn Jahren Haft für den arabischen Journalisten Ahmed Loutfi in seiner Heimat — das war der Hintergrund der Tagung, welche das Exekutivkomitee der Internationalen Journalistenföderation IJF kürzlich in Straßburg abhielt.

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Die Tagung befaßte sich mit der äußeren und inneren Pressefreiheit und mußte konstatieren, daß seit dem letzten Weltkongreß der JF in Stockholm zahlreiche neue Verletzungen der Pressefreiheit das vergangene Jahr gekennzeichnet haben. Die angeführten Fälle sind nur einige Beispiele aus einer langen Liste ähnlicher Übergriffe.

Eine Verlegenheit bereitete dem in Frankreich tagenden Komitee der zynische Hinweis der wegen ihrer Zeitungsverbote und Joumalisten- verfolgungen angegriffenen Türkei, in demokratischen Ländern werde gegen eine mißliebige Presse nicht anders vorgegangen, wobei die Türkei nicht verfehlte zu sagen, welches Land gemeint war — Frankreich

Das Exekutivkomitee konnte nur, auf Vorschlag der französischen Delegation, antworten, daß die „Schließung von Zeitungen ohne ein Gerichtsurteil oder auf einfache Entscheidung des Innenministers“ von der französischen Journalistengewerkschaft als typischer Mißbrauch des Rechts verurteilt wurde, gleicherweise auch das „Verbot oppositioneller Zeitungen mit Hilfe von Ausnahmegesetzen“. Faktum bleibt, daß gerade in jenem Land, aus dem die Türkei im vorigen Jahrhundert ihre liberal-demokratischen Ideale importierte und auf das hin sie intellektuell stets weitgehend orientiert blieb, nämlich in Frankreich, eine Pressefreiheit im westlich-demokratischen Sinn heute kaum noch existiert.

Der türkische Delegierte Omer Sami Cosar schilderte die Restriktionen gegen die Presse jener elf türkischen Provinzen, in denen der Ausnahmezustand herrscht, und berichtete vom Verbot zweier Zeitungen und von der Verhaftung von zehn Journalisten — das Exekutivkomitee nahm es „mit tiefem Bedauern und ernster Besorgnis“ zur Kenntnis (nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß der nächste Weltkongreß in Istanbul stattflnden sollte) und drückte seine Hoffnung aus, daß „diese Unterdrückung“ tatsächlich, wie vom Ministerpräsidenten versprochen, nur vorübergehend sei.

Über die Pressefreiheit in Griechenland berichtete Chefredakteur Dr. Sepp Raminger („Neue Zeit“, Graz) auf Grund der bei einer Reise im IJF-Auftrag gewonnenen Eindrücke. Er konnte sich vollkommen ungehindert informieren, hatte aber wenig Erfreuliches zu erzählen: Die Umwandlung der Vorzensur in das Risiko, nach der Veröffentlichung auf Grund von Gummiparagraphen verurteilt zu werden, hat den Druck, unter dem widerborstige Journalisten stehen, nur verschärft. Es ist nicht nur verboten, etwa über Streiks zu berichten — auch das Wirken von Mächten, die neben dem Regime auf das Land wirken, darf nicht aufgezeigt werden. Weshalb die griechische Presse zum Zug-um-Zug- Geschäft zwischen Junta und Onas- sis zähneknirschend schweigen mußte: Onassis gab dem Staat eine 9-Millionen-Dollar-Garantie für eine Raffinerieerrichtung und bekam von der Regierung gleichzeitig einen 60-Millįonen-Dollar-Kredit für den Ankauf von verbilligten Grundstücken.

Verboten ist, Schulbeispiel für einen Gummiparagraphen, etwa die Veröffentlichung von Nachrichten (!) oder Gerüchten, die das Vertrauen der Öffentlichkeit zur nationalen

Währung oder das Ansehen des Staates erschüttern könnten, darauf stehen Kerkerstrafen von mehr als sechs Monaten, zusätzlich exorbitante Geldstrafen, ferner obligatorisch Entzug der Zollermäßigung oder -befreiung für Zeitungspapier für bis zu sechs Monaten.

Ohnehin hat die mit der Auflagenhöhe progressiv ansteigende Zollbelastung des Papiers dazu geführt, daß die meist auflagenstarken oppositionellen Massenblätter

2,50 Drachmen kosten, die weniger stark verbreiteten regimetreuen Blätter nur zwei Drachmen, so daß, und genau dies war beabsichtigt, die Auflage der oppositionellen Presse (soweit Opposition überhaupt noch möglich ist) sinkt, die Auflage der braven Presse aber steigt.

Wozu sich viele kleine Nadelstiche gesellen, von der Paßverweigerung für den Chefredakteur von To Vima bis zu der Bestimmung, daß auch derjenige, der sich der vom Pressegesetz verpönten Handlungen im Ausland schuldig macht, strafbar sein soll. Den Auslandsjoumalisten wurde inoffiziell versichert, dies gelte nur für ins Ausland reisende Griechen, aber der Paragraph kann jederzeit plötzlich gegen die Ausländskorrespondenten gekehrt werden, deren Arbeit kaum irgendwo auf der Welt (außer in den Oststaaten) solchen Unsicherheitsfaktoren ausgesetzt ist wie in Griechenland. Nebeneffekt: Vor allem ältere, vom Konkurrenzkampf benachteiligte, materiell schlechtgestellte Ausländskorrespondenten betätigen sich nolens volens als unbezahlte und oft sehr geschickte Propagandisten des Regimes. (Davon wurde allerdings in Straßburg nicht gesprochen.)

In der Diskussion über die innere Pressefreiheit wurde Verstärkung der Sicherheiten gegen Eingriffe der Zeitungsbesitzer in die tägliche redaktionelle Arbeit, Festlegung von Verantwortlichkeiten, Schutz der Journalisten vor den Folgen von Besitzwechsel und so weiter gefordert, „unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ein Presseuntemehmen nicht ein wirtschaftliches Unternehmen wie irgendein ‘anderes ist, weil seine Aufgabe der Information und Meinungsbildung im öffentlichen Interesse liegt.“

Einige der aufgestellten Forderungen schweben allerdings hoch in den Wolken. So etwa die, gefahrvolle Aufträge ohne Beeinträchtigung der Karriere (wer könnte eine solche nachweisen?) ablehnen zu dürfen oder der Anspruch auf mindestens zehn Jahresgehälter und freie Ausbildung seiner Kinder für Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes umkommen oder dauernde Invalidität erleiden, respektive für ihre Nachkommen.

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