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Schwarzes Nein

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„Die Europäer in Rhodesien sind vernünftig genug, sich einen Dreck darum zu kümmern, was im britischen Unterhaus gesagt wird.“ (Lord Malvern, erster Ministerpräsident der Zentralafrikanischen Föderation, in einer Rede vom Jahre 1959.)

Am 23. Mai scheiterten die jüngsten Bemühungen Großbritanniens, die sechs Jahre alte Rhodesienkrise zu beenden. Eine britische Kommission unter Leitung des Richters Lord Pearce kam nach monatelanger Meinungsforschung unter der schwarzen Bevölkerung Rhodesiens zu dem Ergebnis, daß die schwarze Majorität die im November des Vorjahres zwischen London und Salisbury ausgehandelte „Regelung“ ablehnt. Dies ist der jüngste Fehlschlag der britischen Regierungen — Labour sowie Konservative —, die seit den fün-ziger Jahren versucht haben, einen Kompromiß zwischen echter Rassen-

Partnerschaft und der Vorherrschaft alteingesessener weißer Siedler in Rhodesien zu finden.

Das heutige Rhodesien war als Südrhodesien von 1953 bis 1963 Teil der sogenannten Zentralafrikanischen Föderation, der auch das damalige Nordrhodesien und Njassaland angehörten. Nutznießer dieser Föderation war vor allem Südrhodesien, das in dieser Zeit einen enormen Aufschwung nahm. Die weißen Siedler spielten schon von jeher in Südrhodesien eine größere Rolle als in den beiden anderen Föderationsgebieten, wo ihre Zahl auch wesentlich geringer war.

Als 1963 die Föderation zerbrach und Nordrhodesien und Njassaland als Sambia und Malawi unter schwarzen Regierungen in die Unabhängigkeit entlassen wurden, fürchteten die Weißen in Südrhodesien eine ähnliche Entwicklung, nämlich eine schwarze Mehrheitsregierung, und handelten rasch. Jede politische Aktivität der Afrikaner wurde unterdrückt, die Führer der schwarzen nationalistischen Bewegungen inhaftiert. Das „Gesetz zur Wahrung von Recht und Ordnung“ gab der Polizei sogar das Recht, jeden Verhafteten für ein Jahr (seit 1965 für fünf Jahre) ohne Gerichtsverhandlung in Gewahrsam zu halten.

Bis 1965 war die Repräsentation der Afrikaner im rhodesischen Parlament die große Streitfrage in den Verhandlungen zwischen London und Salisbury. Die Verfassung aus dem Jahre 1961 sah zwar eine Kontrolle der Regierung in Salisbury durch die britische Krone vor, doch diese bestand nur auf dem Papier. Der Gouverneur der Königin hatte keinerlei Einfluß auf die Entwicklung während der Jahre 1963 bis 1965, in denen sich die Haltung der Weißen verhärtete. Im November 1965 kam es dann zur einseitigen Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens.

Seit 1965 hat Ian Smith die Macht der weißen Minderheit in Rhodesien konsoldiert, die politische und wirtschaftliche Kontrolle von 250.000 Weißen über 5,2 Millionen Schwarze gefestigt. Die Verfassung vom Jahre 1969 wurde mit Recht eine „Charta des weißen“ Marines“ genannt. Sie zerstörte jede Hoffnung auf eine zukünftige Mehrheitsregierung. Die Wahlrechtsbestimmungen dieser gegenwärtig in Geltung stehenden Verfassung sehen zwei separate Wahllisten, eine für schwarze und eine für weiße Wähler, vor. Sie sollen zur Parität der schwarzen Repräsentation führen, doch würde dies in Anbetracht der neuen Qualifikationsbestimmungen erst in etwa 500 Jahren der Fall sein. Diese Bestimmungen machen nämlich das Wahlrecht von einer bestimmten Einkommensteuerleistung abhängig. Gegenwärtig erbringen jedoch die schwarzen Rhode-sier — 95 Prozent der Gesamtbevölkerung — nur ein Prozent der Gesamtsteuerleistung Rhodesiens.

Im November des Vorjahres arbeitete die Regierung Heath den Vorschlag für ein Abkommen aus. Außenminister Sir Douglas-Home flog nach Rhodesien, wo er sich mit Premierminister Ian Smith über eine Kompromißformel einigte, die allerdings die Regierungen Schwarzafrikas und die Liberalen in Großbritannien gleichermaßen enttäuschte.

Nach den Bedingungen dieses Novemberabkommens hätte Smith die internationale Anerkennung seiner Republik im Austausch gegen die Zusicherung erhalten, den Status der Afrikaner zu verbessern. Rhodesien hätte seine Verfassung geändert, um eine schrittweise Entwicklung in Richtung auf mehr politischen Einfluß der Schwarzen zu gestatten. Das Abkommen schloß auch Zusicherungen für eine raschere wirtschaftliche Entwicklung der Afrikaner und einen Grundrechtskatalog mit ein. Dafür hätte Großbritannien seine Sanktionen beendet und die Unabhängigkeit Rhodesiens anerkannt. Außerdem hätte es sich verpflichtet, jährlich mehr als 10 Millionen Dollar für die wirtschaftliche und bildungsmäßige Entwicklung der Afrikaner zu zahlen.

Alle diese Maßnahmen wurden aber davon abhängig gemacht, daß sie die Pearce-Kommission akzeptabel finden würde. Der Bericht über die Untersuchungen der Kommission

— als die 24 Mann starke Delegation im Jänner in Salisbury eintraf, kam es zu schweren Unruhen in den afrikanischen Vororten der rhodesischen Hauptstadt — wurde nun am 23. Mai in London veröffentlicht. Er enthält ein klares „Nein“ der Afrikaner zu dem Novemberabkommen.

Allgemein stellt man sich nun die Frage, was London zu tun gedenkt, und welche Haltung Salisbury einnehmen wird. Ist nun die Tür zu weiteren Verhandlungen endgültig zugeschlagen?

Großbritannien wird jedenfalls den diplomatischen und wirtschaftlichen Boykott Rhodesiens fortsetzen. Der status quo in Rhodesien wird weiterhin bestehen bleiben. In London macht man sich darüber Sorgen, daß Smith nun seine Haltung verhärten und eine Entwicklung in Richtung auf ein System der Rassentrennung nach dem Muster der südafrikanischen Apartheidpolitik einleiten könnte. Die Raktion des rhodesischen Regierungschefs auf den Pearce-Bericht läßt diese Befürchtungen berechtigt erscheinen.

Ob die schwarze Bevölkerung Rhodesiens weiterhin bereit ist, Geduld zu üben, oder ob sie — gedrängt von den radikalen Regierungen in Tansania und Sambia — dazu übergehen wird, Gewalt anzuwenden, ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann. Gegenwärtig ist jedoch der organisierte afrikanische Widerstand in Rhodesien uneinig, zersplittert und deshalb kaum gefährlich.

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