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Links: „ORF-Komplex“
„Ein bekannter Leitartikler nannte einmal den ,ORF-Kom-plex der SPÖ' was ich hier zu skizzieren versuchen werde. Jene Garnitur, die die Sozialistische Partei in die Wahlniederlage von 1966 führte, zeichnete sich unter anderem durch eine konsequente Ablehnung des Rundfunkvolksbegehrens und des Rundfunkgesetzes aus. Diese Haltung dürfte auch für die Wahlniederlage von 1966 mitentscheidend gewesen sein. Die Ablehnung von Volksbegehren und Rundfunkgesetz wurde in verhängnisvoller Konsequenz vom ersten Tag an auch auf die Durchführung der Rundfunkreform und auf meine Person übertragen. Gewisse konservative SP-Politiker und bedauerlicherweise fast die gesamte sozialistische Presse ließen uns
nicht einen Tag Zeit, gewährten uns nicht den geringsten Vertrauensvorschuß, sondern denunzierten uns vom ersten Schritt an als Erfüllungsgehilfen der ÖVP. Daran änderte sich auch durch die Tatsache nichts, daß Männer, wie der Parteichef Dr. Kreisky. Gewerkschaftspräsident Benya, namhafte Sprecher aus den Bundesländern, mir gegenüber eine ganz andere Meinung äußerten oder daß bis zum heutigen Tag kein sozialistischer Vertreter im Rundfunkaufsiehtsrät Zweifel an der politischen Integrität der Rundfunkführung gezeigt hat.
Tatsächlich wird also der ORF in die innenpolitische Auseinandersetzung zwischen SPÖ und ÖVP hineingezogen, wird zum Prügelknaben eines Ringens gemacht, in dem er an sich nur die
Rolle des Beobachters einnehmen sollte.
Dieser ,ORF-Komplex' ist um so unbegründeter, als erfahrungsgemäß eine freie Information überall eher der Opposition zugute kommt. Zynisch könnte man ja darauf verweisen, daß dies auch in Österreich der Fall ist: Die Sozialisten gewinnen in dem vorn ORF maßgeblich bestimmten Informationsklima eine Zwischenwahl nach der anderen. Wir rechnen uns diesen Umstand weder als Verdienst (im Sinne der Sozialisten) noch als Schuld (im Sinne der ÖVP) an. Der ORF hilft nicht gewinnen und nicht verlieT ren, er bemüht sich, ein getreues Spiegelbild der Verhältnisse wiederzugeben, die andere schaffen. Ein sozialistischer Politiker gab mir zum .ORF-Komplex' erst
kürzlich eine wesentlich praktischere Erklärung. Sie begann mit den Worten ,San S' net so angrührt' und erging sich dann in folgenden Punkten: • Erstens schildern wir den ORF als eine potentielle Gefahr, weil
wir damit unsere Parteigänger wachsam halten.
• Zweitens provozieren wir den ORF dadurch, ständig seine Unabhängigkeit zu beweisen und ein Ubersoll an Objektivität zu erbringen.
• Und drittens ist die ÖVP mit
diesem unabhängigen Rundfunk nur so lange zufrieden, als wir Sozialisten darüber schimpfen. Dar ORF und seine Information ■können in zwei Jahren Rund-funkreform nicht das politische Mißtrauen von fünfzig Jahren Republik abbauen. Das Mißtrauen, die Unterstellung, die Pauschalverdächtigung gehören in einem international überdurchschnittlichen Maß zum Instrumentarium der österreichischen Innenpolitik. In einem Land, in dem man mit der roten Katze Wahlen gewinnen und mit dem Hinwels auf den Ständestaat nach fünfunddreißig Jahren noch immer für diese oder jene Regierungsfarm argumentieren kann, zählen Mythen, Ängste, Verdrehungen, Verdächtigungen eben noch immer mehr als Fakten.“
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