Neue Köpfe lassen hoffen

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Neue Köpfe, aber keine neuen Inhalte: So lautete das Verdikt von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl zu den personellen Veränderungen in den Regierungsparteien -jenem Mann, dessen "angeborne Farbe" der verbalen Zuspitzung selten von des Bedenkens "Blässe angekränkelt" wird (frei nach Shakespeare). Es wäre indes seltsam, sollten neue Köpfe nicht auch neue Inhalte bedeuten, es sei denn, man wollte taxfrei unterstellen, es handle sich durchwegs um Hohlköpfe. Das aber wird wohl nicht einmal Kickl behaupten wollen. Zunächst darf man also getrost davon ausgehen, dass auch in der Politik ein neuer Kopf seine je spezifische Sicht der Dinge, seine Vorstellungen von Mensch und Gesellschaft mitbringt. Eine ganz andere Frage ist freilich, ob die die neuen Köpfe ihre Inhalte auch in Politik umzusetzen imstande sind. Die größeren Revirements hat es eindeutig in der kleineren Regierungspartei gegeben. Das hat dort gute Tradition: Wenn einmal der Mitbewerber ein wenig im Trudeln ist und die dort sprichwörtliche interne Disziplin Risse zeigt, tu alles dazu, dass binnen Kurzem die gesamte öffentlich-mediale Aufmerksamkeit wieder auf dich gelenkt wird und jeder nur mehr von deinen Querelen spricht

Entmachtung der "Her mit dem Zaster"-Fraktion

In der Sache ist das Ergebnis cum grano salis dennoch erfreulich. Das hat weniger mit der Person Michael Spindeleggers zu tun, der persönlich jedenfalls absolut redlich und integer und in seinen weltanschaulichen Prinzipien durchaus gefestigt schien. Aber das Ganze lässt sich doch auch als Entmachtung der HMDZ-Fraktion ("Her mit dem Zaster") in der ÖVP lesen, selbst wenn deren Protagonistin nicht nur im Team bleibt, sondern sogar zur Regierungskoordinatorin aufsteigt. Leute dieses Zuschnitts gibt es freilich schon bei Rot, Grün und Blau (auch wenn dort zuletzt teils andere Töne zu hören waren) in ausreichendem Maße, hier braucht es keine Verstärkung durch die ÖVP, und es gibt hier wohl auch jenseits der westösterreichischen Arbeiterkammern wenig für die Partei zu gewinnen.

So steht zu hoffen, dass Reinhold Mitterlehner seinem Finanzminister Hans Jörg Schelling -zweifellos die am meisten optimistisch stimmende Neuerung -den Rücken in der Partei und gegenüber dem Regierungspartner frei hält und seine sozialpartnerschaftlichen Verbindlichkeiten notfalls hintanstellt. Bis zum Beweis des Gegenteils wollen wir das ebenso glauben, wie dass Doris Bures als Nationalratspräsidentin nicht ist, als was sie eine böse Karikatur dieser Tage dargestellt hat: eine Puppenfigur an der Hand von Werner Faymann.

Wissen um den Wert von Freiheit und Wohlstand

Die beste Nachricht dieser Tage aber kommt nicht aus Wien sondern aus Brüssel: Dass just 25 Jahre nach 1989 mit dem polnischen Premierminister Donald Tusk erstmals ein Osteuropäer eine Schlüsselfunktion in der EU -das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates -übernimmt, ist ein starkes Signal. Tusk gehört der liberalkonservativen "Bürgerplattform" (PO) an, die ihre Wurzeln in der Dissidentenbewegung der achtziger Jahre hat und die mit Tadeusz Mazowiecki (2013) den ersten nichtkommunistischen Regierungschef nach 1945 stellte.

Die Erfahrung der Unfreiheit, das daraus resultierende Wissen, dass Freiheit und Wohlstand nicht selbstverständlich sind, dass es sich lohnt dafür zu arbeiten und stets aufs Neue zu kämpfen -all das bringt Tusk mit, und das kann einem vielfach saturierten, teils müde-gelangweilten, teils hedonistischverweichlichten (West-)Europa nur gut tun. In dieser Perspektive wird natürlich auch die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen ebenso wie die unverzichtbare Zugehörigkeit des Vereinigten Königreichs zu Europa klar gesehen. Etwas von dieser "Farbe der Entschließung"(Shakespeare original) wäre im übrigen auch der österreichischen Regierung zu wünschen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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