China - © Foto: Getty Images /Bloomberg / Qilai Shen

Das Ende der Freiheit: Warum wir die Kontrolle über unsere Daten zurückgewinnen müssen

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Eine Wirtschaft, die auf rücksichtsloses Wachstum setzt, schädigt das Klima und steht in enger Verbindung zum Hass im Netz. Der Ethiker Peter Kirchschläger zeigt die Zusammenhänge auf und nennt Lösungsansätze. Im Zentrum der Kritik: die Macht der IT-Konzerne.

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Eine Wirtschaft, die auf rücksichtsloses Wachstum setzt, schädigt das Klima und steht in enger Verbindung zum Hass im Netz. Der Ethiker Peter Kirchschläger zeigt die Zusammenhänge auf und nennt Lösungsansätze. Im Zentrum der Kritik: die Macht der IT-Konzerne.

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Können neue Technologien Klima und Menschheit retten? Und wie können die Spaltungstendenzen durch soziale Medien beendet werden? Peter Kirchschläger, Ethiker und Theologe an der Uni Luzern, fordert eine globale Behörde gegen IT-Missbrauch. Das folgende Gespräch entstand am Rande des Peter Drucker Forum in Wien.

DIE FURCHE: Mit „neuen Technologien“ wurden immer große Hoffnungen verbunden. Die Welt würde vernetzter, das Leben freier, sogar die Klimasorgen ließen sich lindern. Die Realität sieht anders aus. Digitale Überwachung hilft autoritären Regimen, soziale Medien spalten die Gesellschaft. Sie haben sich damit intensiv in Ihrem neuen Buch beschäftigt. Wie hilft man den positiven Möglichkeiten der Digitalisierung?
Peter Kirchschläger:
Ein erster kleiner Schritt wäre: Wir sollten die Marketingsprache hinterfragen. Nehmen Sie etwa den Begriff „künstliche Intelligenz“. Das ist ein falscher Begriff, der mit viel zu hohen Erwartungen operiert, bezüglich dessen, was diese Systeme können und können werden. Sie werden uns gewissen Bereichen massiv überragen und tun das auch schon, wenn es um die Sammlung und Analyse von Daten geht. Aber menschliche Intelligenz, gerade was soziale und emotionale Intelligenz betrifft, wird für Maschinen unerreichbar bleiben. Auch Moralfähigkeit kann von ihnen nicht ausgesagt werden. Maschinen können auch keine ethischen Subjekte werden, die Verantwortung tragen können. Deshalb würde ich dazu einladen, anstatt des Begriffs „künstliche Intelligenz“ den Begriff „datenbasierte Systeme“ (DS) zu verwenden.

DIE FURCHE: Was wären aus Ihrer Sicht die größeren Schritte?
Kirchschläger:
Größer und schwieriger zu erreichen ist, dass wir als Bürgerinnen und Bürger darauf hinwirken, dass beispielsweise nicht Überwachungstechnologien entwickelt werden oder von Unternehmen an totalitäre Systeme verkauft werden. Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen einfordern, den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken und nicht alles der Gewinnmaximierung unterzuordnen. Und auf staatlicher Ebene ginge es darum, dass man die bereits existierenden Normen verbindlich umsetzt.

DIE FURCHE: Welche Art Normen?
Kirchschläger:
Die Menschenrechte. Sie sind rechtlich verbindlich. Sie müssen aber auch im Bereich von datenbasierten Systemen angewendet und umgesetzt werden.

DIE FURCHE: Menschenrechte auf Facebook?
Kirchschläger:
Zum Beispiel. Facebook leidet ja nicht unter negativen Ausreißern eines an sich gesunden Geschäftsmodells. Das Geschäftsmodell selbst umfasst im Kern Menschenrechtsverletzungen. Tatsächlich passiert hier viel zu wenig, und tatsächlich werden Menschen manipuliert. Es wird mit uns im Dienste von knallharten wirtschaftlichen und politischen Eigeninteressen gespielt, und wir tanzen da wie Marionetten an Fäden, ohne dass wir das wahrnehmen und uns dagegen wehren können. Ich halte es daher für dringend notwendig, auf internationaler Ebene eine Agentur für datenbasierte Systeme (DSA) zu schaffen, die ein Controlling mit Sanktions- und Durchgriffsrechten wahrnimmt, ähnlich der Internationalen Atomenergiebehörde.

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