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Die Preisspanne

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Warum steigen und sinken die Preise des täglichen Bedarfes einmal so, dafin wieder anders, immer bis zu allgemein gültigen Grenzen? Wer regelt diesen Apparat der Preisbildung, arbeitet er auch richtig? Das sind Fragen, die gegenwärtig viel erörtert werden, ohne immer die richtige Antwort Zu erhalten. Wir wollen einen kurzen Überblick geben, der eine gewisse Überprüfung ermöglicht.

Täglich rollen viele hunderte Waggons und tausende Lastautos mit Nahrungsmitteln in die großen und kleinen Städte. Man kann sie in einige Hauptgebiete zusammenfassen.

Der Bauer bringt seine Ernte in die landwirtschaftliche Genossenschaft, sein Getreide in die Mühle und erhält dafür die amtlich festgesetzten Preise. Die Genossenschaft prüft die Waren, lagert sie ein und gibt sie mit einem unbedeutenden Zuschlag für ihre Auslagen, wie Lagerräume, Personal, Beleuchtung, Heizung, an den Großhändler weiter. Dieser holt sie mit seinen Fuhrwerken vom Lagerhaus oder der Mühle in die Stadt, lagert sie ein, stellt sie an die Einzelhändler, wie Kaufmann, Marktleute, zu. Bei bewirtschafteten Waren hebt er die Marken ein. Seine Auslagen sind Ąuto- oder Bahnfracht, vom Land in die Stadt, Zufuhr zum Einzelhändler, Personal, Beleuchtung, Heizung, Versicherung, Steuern usw. Dafür kann der Großhändler eine feste Gewinnspanne berechnen, die nach der Art der einzelnen Waren, besonders ihrer Verderblichkeit, sehr verschieden ist. Für Mehl, Hülsenfrüchte und ähnliche Dauerwaren, ferner für Brot ist sie gering, sie bewegt: sich in den Grenzen von 21 « Prozent für Zucker, bis durchschnittlich 14 Prozent. Für Erdäpfel, Gemüse und andere empfindliche Waren (Verderb, Frost, Schwund) geht sie bis zu 27 Prozent, für Obst bis'38 Prozent.

Bei dem Einzelhändler wiederholt sich dieser Vorgang (Prüfung, Lagerung, Zins, Beheizung, Beleuchtung, Personal, Verlust durch Verderb, zumeist eigene Arbeit von Mann und Frau, Umsatz- und Personalsteuem). Der Einzelhändler darf einen Preiszuschlag von durchschnittlich 10 bis 20 Prozent, bei Gemüse bis 26 Prozent für seine Leistungen berechnen. Bei kosmetischen Waren, wie Zahnpasta, Bürsten usw., auch mehr Mitunter hat ein Kaufmann Pferd und Wagen, er kann dann auch für einige andere Kleinhandler die Zufuhr vom Großhändler besorgen, was eine Verbilligung ermöglicht.

Sind die vprgeschriebenen Gewinnspannen der Groß- und Kleinhändler im allgemeinen angemessen, oder sind sie Preiswucher? Sie sind auf den Erfahrungen vieler Jahrzehnte aufgebaut. Deshalb müssen sie allerdings jetzt noch nicht richtig sein. Für ihre derzeitige Höhe spricht vielleicht ein Vergleich mit der Preisspanne der Konsumvereine. Diese führen ihre Waren zum Teil auch selbst in die Stadt, sind also zugleich Groß- und Kleinhändler, sie arbeiten nicht auf Gewinn, sondern nur auf Kostendeckung, Aber langjährige Erfahrung ergibt, daß sie im allgemeinen die Preise der Einzelhändler nicht unterbieten können. Der Personalaufwand ist bei den Konsumvereinen etwas höher, als beim Kleinhändler, wo die Arbeiten hauptsächlich von Mann und Frau besorgt, die Betriebskosten dadurch vermindert werden. Dies scheint dafür zu sprechen, daß die geltenden Preisspannen zumeist angemessen sein dürften.

Bei dem Handel mit Erzeugnissen von Industrie und Gewerbe ist der Weg ebenso wie bei den Lebensmitteln. Fabrikant oder Gewerbetreibender geben Kleider, Wäsche, Schuhe usw. zumeist an den Großhändler, dieser an den Kleinhändler. Die Preisspanne ist auch hier amtlich festgesetzt. Die derzeit schon steigende Erzeugung führte schon bei einzelnen Waren zu einer starken Senkung der Einzelpreise und damit auch der Preisspanne. Dies zeigt sich schon deutlich bei Radio und Grammophon, eine Entwicklung, die weiter fortschreiten muß, .wenn wir mit dem Ausland in Wettbewerb treten, den Export heben wollen.

Daß in den so sehr bewegten Zeiten der Gegenwart bei Groß- und Kleinhändlern, besonders bei Obst und Gemüse, auch nicht vertretbare Gewinne erzielt werden, kann nicht bestritten werden. Dagegen haben wir genügend Ämter und schließlich die Gerichte. Vor allem ist es die Presse, die solche Mißstände aufgreift und erörtert. Der wichtigste Weg zur Beseitigung ist Steigerung der Produktion und die Konkurrenz der angelieferten Waren, sie sollten nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage zur Senkung der Preisspannen führen. Wenn dies bisher noch kein fühlbares Sinken der Handelsspannen erzielt hat, dürfte die Ursache auch darin liegen, daß die Zahl der Großhändler weit über das richtige Maß hinaus angewach sen i st. Wir haben noch lange nicht die Höhe der Friedensproduktion erreicht. D i e Zahl der Kleinhändler ist während des Krieges ganz bedeutend gesunken, in Wien allein um etwa 2000 Betriebe. Aber gleichzeitig ist die Zahl der Großhändler über das Dreifache gestiegen, ähnlich auch auswärts; sie sind daher bei der gesunkenen Produktion bei weitem nicht vollbeschäftigt. Es wäre zu prüfen, ob nicht etwa durch besondere Vereinbarungen versucht wird, einzelne Preisspannen, besonders Obst und Gemüse, über Gebühr hochzuhalten. Wenn solche Vereinbarungen bestehen sollten, würde der Wettbewerb des freien Handels zum Schaden der Bevölkerung künstlich ge stört werden. Eine amtliche Prüfung und angemessene Vermin-

derung der Zahl der Großhändler dürfte geboten sein.

Eine Sonderstellung nehmen die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände ein, die uns die Alliierten im Werte von Milliarden Schilling frei überwiesen haben und noch überweisen. Der Staat übernimmt sie, gibt sie zu festen Preisen an den Großhandel, von dort gehen sie an den Kleinhandel. Dadurch kann der Staat auch die Preise unserer eigenen Erzeugnisse in tragbaren Grenzen haken. Der Ertrag dieser Waren wird an die Nationalbank eingezahlt und kann mit Zustimmung der Alliierten für den Aufbau unserer Wirtschaft und für die Verwaltungsausgaben verwendet werden. Eine gewaltige Hilfe zur Überwindung der Nachkriegsfolgen, die uns nach dem ersten Weltkrieg nicht zur Verfügung gestanden ist.

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