Bewältigung mit Baggern

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Vor 127 Jahren wurde Adolf Hitler in Braunau geboren, weil sein Vater als Zollbeamter gerade dort stationiert war. Pech für Braunau -jedenfalls aus heutiger Sicht. Lange hat die Stadt am Inn ihr Los tapfer getragen. Nun aber tritt als Retter der Innenminister auf, offenbar zuständig für den adäquaten Umgang mit den Bürden der Geschichte, und will des Führers Geburtshaus demolieren. Ja, darf er denn das? Gehören tut es ihm nicht, er hat es bloß gemietet. Es steht außerdem unter Denkmalschutz. Der Plan geht so: Der Innenminister, entsandt von einer Partei, die sich nach wie vor als Hüterin des Privateigentums versteht, lässt ein Gesetz beschließen, das die Enteignung der eigensinnigen Eigentümerin erlaubt und dann auch gleich die Aufhebung des Denkmalschutzes, damit das enteignete Haus von Staats wegen abgerissen werde: der Rechtsstaat im Spiegel unserer Realverfassung.

Der Minister hat außerdem die Chuzpe, der von ihm eingesetzten Expertenkommission, die eine Umgestaltung des leerstehenden Hauses empfiehlt, auszurichten, das heiße ganz klar: Abriss. Ein Waidhofener Musiklehrer definiert also das Interesse der Republik, in dessen Namen die Enteignung vollzogen werden soll; weil ihm das Haus ein Dorn im Auge ist - aus den Augen, aus dem Sinn. Mit seinem Caterpillar-Geschichtsverständnis steht der Mann aber auch für eine Tendenz des Zeitgeists: Spuren verwischen, Geschichte säubern, auslöschen, dem Erdboden gleichmachen. Was nicht zu sehen ist, ist nie geschehen.

Vielleicht kommt die Eigentümerin ja noch zur Vernunft und entzieht so jedem Enteignungsgelüst die rechtliche Grundlage. Sie könnte sich direkt mit der Initiative des Politologen Andreas Maislinger verständigen, der dort seit Jahren ein "Haus der Verantwortung" plant: eine "Umpolung" durch neue Inhalte statt neuer Fassade.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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