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In der neuesten Ausgabe von Sigrid Löfflers Literaturen findet sich ein Gespräch mit vier deutschen Autoren fremder Herkunft. Es trägt die Überschrift "Ich bin ein Teil der deutschen Literatur, so deutsch wie Kafka". Da fällt mir die nationale Erregung ein, die vor zwei Jahren hüben und drüben um sich griff, als das zdf für seine Umfrageaktion "Unsere Besten" Mozart, Haydn und Freud nominierte. Die Kronen Zeitung titelte damals "Deutsche wollen unseren Mozart!", die deutsche NationalZeitung holte zum Gegenschlag gegen die "separatistischen Narren" aus und führte Mozarts Eintreten für die "teutsche Art" (und gegen die italienische Oper) ins Treffen. Die Proteste aus dem Nachbarland dürften beim tv-Publikum aber doch Zweifel an Mozarts Deutschtum geweckt haben, er erreichte schließlich nur Rang 20.

In einem Anflug von Großzügigkeit räume ich bei mir ein, dass Kafka im historischen Prager Soziotop in der Tat "Deutscher" war, nämlich kein Tscheche - als der er wiederum vom heutigen Tschechien reklamiert wird. Dann aber lese ich im Gespräch selbst, dass alles ohnehin anders gemeint ist. Auf den Vorhalt der Redaktion, sie seien doch alle "nicht deutsche Autoren im Sinne von Goethe oder Thomas Mann", sagt der Deutschperser Navid Kermani: "Aber vielleicht deutsch eher im Sinne von Kafka." Und Terézia Mora sekundiert: "Ja, eben. Ich bin genauso deutsch wie Kafka. Ich komme ungefähr aus derselben Gegend."

Wiederum verbiete ich mir Kleinlichkeit - Mora stammt aus der Grenzregion um Ödenburg/Sopron - und denke: Kein Wunder, dass sich Einwanderer(-Kinder) mit der Definition des eigenen Fremdseins so plagen, wenn schon das Deutsche so schwer zu benennen ist. Nur bei der Rechten funktionieren die Reflexe noch: Wenn ein Feridun Zaimoglu in Wien seine "dritte Türkenbelagerung" inszeniert, findet sich garantiert ein Pawlowscher Hund, der bellt.

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