Kein Vertrauen in die Kraft des Textes

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Die in den USA geborene Dramatikerin Bettie Shamieh - ihre Eltern waren aus Palästina eingewandert - hat an der Harvard University und der Yale School of Drama studiert. Bei einer Bilanz von bisher fünfzehn Theaterstücken und zahlreicher anderer, zum Teil preisgekrönter Arbeiten, darf man davon ausgehen, dass sie ihr Handwerk versteht. Dieser Eindruck vertieft sich bei der Lektüre ihres Dramas, einer Kooperation von Landestheater Linz und Linz09, das in der Spielstätte "Eisenhand" erstmals in Europa gezeigt wird.

Der Handlung liegen historische Begebenheiten aus dem Jahre 1186 zugrunde, die Shamieh für ihre Geschichte zur Zeit der europäischen Kreuzzüge aufgegriffen hat. Es geht weniger um einen Glaubenskrieg, sondern um den Machtkampf zwischen zwei Männern und einer Frau: dem Herrn über die Kreuzfahrerstadt Kerak, Renaud de Châtillon, dem legendären Sultan "Saladin" (arab. Saleh ed-Din, 1138-1193) sowie dessen Schwester, die in allen historischen Quellen namenlos geblieben ist, der Shamieh aber den Namen Alia gegeben hat.

Reise nach Mekka

Auf ihrer Pilgerreise nach Mekka nimmt der sadistische Renaud Alia gefangen. Zwischen den beiden entspinnt sich ein veritabler Zweikampf der Worte, in den sich trotz verschiedener räumlicher und zeitlicher Ebenen immer wieder der friedliebende Saladin mischt. Aber auch körperliche Gewalt und vielleicht auch beiderseitige (?) sexuelle Begierde kommen zum Ausdruck. Doch ist alles nur eine Täuschung? Klar zeichnen sich Selbstbewusstsein und kämpferische Natur einer Frau ab, die auch gegen ihre fatale Epilepsie ankämpft und schließlich von Renaud freigelassen wird. Alia kann triumphieren: Es gibt Krieg! In der Schlacht von Hittin 1187 wird das Heer der Kreuzritter von Sultan Saleh ed-Din geschlagen, was das Ende des Königreichs Jerusalem bedeutet.

Dieses dramaturgisch raffiniert gebaute Stück mit seinen intelligenten Dialogen und mehrschichtigen räumlichen Lösungen hätte einen atemlos spannenden Abend ergeben können, hätte sich Regisseur Gerhard Willert, der auch für die Übertragung aus dem Amerikanischen verantwortlich zeichnet, nicht zu den absonderlichsten "Einfällen" hinreißen lassen. Was man da alles an merkwürdigem Geklopfe und an Geräuschen hörte, war kontraproduktiv. Das trifft auch für Alia mit ihren über Gebühr vorgeführten spastischen Verrenkungen und "Brechanfällen" zu. Und wozu die Laufbahn eingefasster gelber Linsen auf der "Bühne"? Warum nicht gleich eine kahle Spielfläche, die zu den drei, ihre jeweiligen Stimmungen hervorragend differenzierenden Protagonisten - Nicole Reitzenstein (Alia), Lutz Zeidler (Renaud) und Sebastian Hufschmidt (Saladin) - in Schwarz und barfuß besser gepasst hätte. Und warum keine bessere Beleuchtung der Figur(en)? Unverständlich, dass Willert der Kraft des Textes nicht mehr vertraut hat.

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