Kleiner Mann, große Phantasie

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Zöllner Rousseau in der Pegasus-Bibliothek: Der begabte Amateur wurde ein großer Maler.

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Zöllner Rousseau in der Pegasus-Bibliothek: Der begabte Amateur wurde ein großer Maler.

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Der Zöllner Rousseau bleibt der Zöllner Rousseau, auf daß man ihn nicht mit dem Philosophen verwechsle, der seine Kinder dem Findelhaus übergab, um ungestört über die Erziehung von Kindern schreiben zu können. Im Leben des Zöllners Rousseau gibt es solche Widersprüche nicht, da stimmt alles überein. Er war ein braver kleiner Mann mit einem großen Talent und einer wilden Phantasie - allerdings weiß man nicht genau, ob er beim Malen seiner berühmten Urwaldbilder wirklich mehr vom echten Urwald geträumt hat als vom gezähmten Urwald und den sonstigen Versatzstücken einer wilden Natur in den Treibhäusern der Reichen.

Zufrieden mit seinem Leben war er nicht, sonst hätte er nicht so um Anerkennung gerungen und die Legenden, er sei Soldat in Mexiko gewesen oder habe 1870 die Stadt Dreux vor dem Bürgerkrieg beschützt, nicht so wohlgefällig auf sich beruhen lassen.

Der jüngste Band der Pegasus-Bibliothek ist ihm gewidmet. Ein weiteres dieser schmalen, exzellent gedruckten Bücher, von Werner Schmalenbach sehr gut geschrieben: Reich an Fakten, psychologisch einfühlsam, ohne Schmus. Henri Rousseau, der für die anlegenden Schiffe im Pariser Hafen zuständige "Gabelou", der immer wieder umzog, aber seinem Wohnviertel Plaisance am Fuß des Montparnasse treu blieb, fing mit 40 Jahren zu malen an. Die Werke der braven akademischen Pinsler, die er beneidete, sind längst in die Keller der Museen verbannt - der vom Publikum verspottete Frühpensionist, der sich mit Musikunterricht für die Nachbarn mühsam über Wasser hielt, hat den Sprung ins "Musee imaginaire" der Menschheit geschafft, sein Ruhm wird dauern.

Er hat es geahnt, malte sich gleich am Anfang mit Samtbarett und Palette. Allerdings deutet das früheste erhaltene Bild auf Vorangegangenes, Verlorenes. Oder sollte da tatsächlich ein "Meister vom Himmel gefallen" sein?

Auch ohne Urwaldbilder wäre er berühmt. Mit ihnen rückte sein Werk ins Zentrum. Als 1905 das Riesengemälde "Hungriger Löwe" im Salon d'Automne mitten unter den Bildern von Matisse, Derain, Vlaminck, Dufy und so weiter hing und ein Kritiker den ganzen Saal "Käfig der wilden Tiere" nannte, war er nicht mehr zu übersehen. Die jungen Maler bewunderten ihn längst. 1908, zwei Jahre vor seinem Tod, sagte er zu Picasso: "Wir beide sind die größten Maler unserer Zeit". H. B.

HENRI ROUSSEAU Träume vom Dschungel Von Werner Schmalenbach Verlag Prestel, Pegasus-Bibliothek, München 1998 96 Seiten, viele Bilder, geb., öS 291,-

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