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Wer heute wirklich Furore machen will, der muss nur zugeben, kein Mobiltelefon zu besitzen. Aus Sicht des Besitzlosen gibt es etliche Gelegenheiten, bei denen der Besitz eines Handys von Vorteil wäre - aber unendlich viele im Tausch für den Mangel gewonnene Spielarten der Freiheit. Allein die Vorstellung, immer und überall und für jeden ansprechbar sein zu sollen oder im Falle der Kontaktaufnahmeverweigerung eine Liste von Rückrufen abarbeiten zu müssen! "Sehr gescheit“, sagen die meisten, wenn sie von der freiwilligen Verinselung erfahren, und halten den "Verzicht“ für ein wahrlich heroisches Beispiel von Askese, das sie bewundern, dessen Nachahmung sie sich aber keinesfalls gewachsen fühlen.

"Ohne Telephon kann man nur deshalb nicht leben, weil es das Telephon gibt“, heißt es in einem Aphorismus von Karl Kraus. So ist uns der kollektive Schritt zurück auf eine Stufe der Unschuld verwehrt: "Die Phantasie hat ein Surrogat an der Technik gefunden; die Technik ist ein Surrogat, für das es keines gibt.“ Die individuelle Verweigerung schärft jedenfalls den Blick für den kulturellen Wandel. Das meint nicht nur die Beobachtung, dass immer mehr Zeitgenossen es ohne technischen Beistand, ohne soziale Adresse immer schlechter mit sich selbst aushalten. (Bahnreisende, die in einem "Ruheabteil“ aufs Telefonieren verzichten müssen, schauen drein wie Kinder, die man von der Mutterbrust reißt.)

Es betrifft auch die Erkenntnis, dass der moderne Mensch immer weniger dort ist, wo er ist; dass der mobil Telefonierende oder Surfende seine physische Umgebung mit verblüffend selbstverständlicher Unhöflichkeit übersieht und ignoriert. "Denn“, sagt Kraus, "die technischen Dinge hängen mit dem Geist so zusammen, dass eine Leere entsteht, weil sie da sind, und ein Vakuum, wenn sie nicht da sind.“

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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