Dicke Luft macht dickes Blut

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Fast jeder hat den Begriff „Burnout“ schon einmal im Mund geführt. Doch wie erkennt man tatsächlich, ob und wie stark Menschen davon betroffen sind? Dem Endokrinologen und Stressforscher Sepp Porta reicht dazu ein Tropfen Blut. In seinem „Institut für Angewandte Stressforschung“ in Judendorf/Straßengel bei Graz untersucht er, wie sich dauerhafte Stressbelastung im Körper niederschlägt. „Der Anstieg der Stresshormone führt dazu, dass das Blut immer dicker wird“, erzählt er im FURCHE-Gespräch. Chronisch erhöhtes Adrenalin produziere zu viel Milchsäure im Blut. Durch vermehrte Atmung (Hecheln) versuche der Körper, die Ansäuerung des Blutes zu kompensieren. Dauert diese Kompensationsleistung (und damit die Abatmung von Kohlendioxid und Wasserdampf) zu lange an, führe dies zur Verdickung des Blutes, zur Erschöpfung dieser Kompensationsleistung – und schließlich zum Burnout.

An bis zu 4000 Personen hat Porta bislang seine neue Diagnosemethode angewendet – und mittlerweile bereits ein Mustererkennungssystem entwickelt. „Eine große Stressbelastung zeigt sich im Blut wie ein bestimmter Fingerabdruck“, weiß Porta, der seine Erkenntnisse im Buch „Stress verstehen – Burnout besiegen“ (Verlagshaus der Ärzte 2009) veröffentlicht hat.

Auf Anfrage großer Betriebe untersucht er auch den Gesundheitszustand der Belegschaft – freilich nur mit vollkommen anonymisierten Daten und nach Zustimmung von Direktion, Firmenarzt und Betriebsrat. „Es ist wichtig, Burnout richtig zu messen, weil viele, die wirklich Burnout haben, von ihren Vorgesetzten als Hypochonder dargestellt werden“, ist Porta überzeugt. Doch damit nehme man den Betroffenen „die Ehre ihrer Krankheit“.

Nicht mittels Blutanalyse, sondern im Rahmen einer klassischen Befragung hat das Institut für humanökologische Unternehmensführung (IBG) die Verbreitung der Burnout-Problematik in österreichischen Betrieben zu erfassen versucht. Gemeinsam mit dem Fördergeber Fonds Gesundes Österreich wurden von 2007 bis 2009 insgesamt sieben Großbetriebe mit Schichtarbeitsplätzen in die Praxisstudie eingebunden und über 2400 Fragebögen ausgewertet. Auf Basis der Studie wurde schließlich ein „Leitfaden zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Großbetrieben“ erstellt.

Überforderte Führungskräfte

„Gerade bei der Schichtarbeit gibt es spezifische Burnout-Risikofaktoren“, weiß die Psychotherapeutin Theresia Gabriel vom IBG – wobei das „unheilige Triumvirat“, das Burnout befördere, allgemein aus drei Faktoren bestünde: aus besonderen Belastungen, dem Umstand, dass man mit diesen Belastungen nicht umgehen könne, und einem Mangel an Erholung. Die Ergebnisse der Studie selbst waren ernüchternd: Rund ein Viertel der Befragten zeigte ein gewisses Burnout-Risiko – und die Führungskräfte glänzten durch eine frappante Inkompetenz, die Mitarbeitenden adäquat zu unterstützen. „Eigentlich sollte eine Führungskraft ja als Coach agieren und dafür sorgen, dass die Belastungen so organisiert werden, dass sie bewältigbar sind“, erklärt Theresia Gabriel. „Doch in manchen Betrieben wird man schon schief angeschaut, wenn man aufs Klo geht.“ Vor allem die Studienfrage „Unterstützt Sie Ihre Führungskraft in Ihrer Erholung?“ sei auf völliges Unverständnis gestoßen.

Eine bedauerliche Fehlentwicklung, kritisiert Gabriel: „Schließlich schneiden sich Unternehmen, deren Mitarbeiter sich nicht wohl fühlen, ins eigene Fleisch.“ Umgekehrt würden Firmen mit positiver Unternehmenskultur in vielerlei Hinsicht profitieren: durch motiviertere Beschäftigte, weniger Krankenstände, weniger Know-how-Verlust und ein besseres Image. (dh)

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