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Bäuerlich oder „rustikal“ ?

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Das Abendleben bei uns im Mostviertel spielt sich noch immer in der Stube ab; die Umfunk-tionierung zum Wohnzimmer will nicht so recht Fuß fassen.

Der Sohn, der Enkel, der Verwandte des Berger- oder Bachbauern arbeitet zwar im Kleinbetrieb, ist Pendler, verdient sich seinen Unterhalt bei der Straßenmeisterei, der Eisenbahn oder der Post, er kehrt jedoch abends in sein Haus, in seine Wohnung zurück.

Die Heimstätte wurde, wenn nicht von einer Gemeinde, im uralten Verfahren der gegenseitigen Hilfe, des Robots erkämpft. Dort will sich der Mostviertier — wie es eben bei uns so ist — mit den Dingen umgeben, die er von früher her kennt, die in das Gebiet passen. Er will sich in seine bäuerliche Stube setzen, wenn manche auch schon das Wort „rustikal“ lieber verwenden.

Eine solche Stube ohne Holzdecke, Eckbank, Aufsatzkastl, ohne Herrgottswinkel (aus Uberzeugung oder weil er eben dazugehört), ohne Schüsselkorb und Schmalztopf wirkt nicht. Der gute Mann bittet seine Gäste auch gern ins „Jagastüberl“ in den Keller.

Wenn er nun in der glücklichen Lage ist, die Einrichtungsgegenstände und das „Kleinzeug“ vor Jahren ererbt, erstanden, erhalten zu haben, dann wird er einen Altwarenladen nur selten betreten. Solche Familien werden sich Gustostückerl erst beschaffen, nachdem sie vergeblich versucht haben, das begehrte Ding irgendwo sonst, vielleicht sogar bei einem anderen Landwirt, aufzutreiben.

Der Mostviertier Bauer hat den Wert seiner Gott sei Dank gehüteten Schätze allerdings längst erkannt. Immer schwerer hat es also der „Geifahrer“, günstig an neue Ware zu kommen. Es muß daher fleißig abgelaugt, ergänzt, erneuert, übermalt werden. Manche Garage wurde so zur stillen Werkstätte umgewandelt. Das Produkt heißt dann wie überall „Altertum aus der Zeit“ und ist „stilecht“.

Kleine Restaurierungsarbeiten muß man nach so langer Zeit wohl anbringen. Es soll aber auch Händler geben, die geschickt Nachgemachtes als „Altertum“ anbieten. Was soll's? Ist es Kitsch, wenn du in einem Mostviertier Haus einer Truhe, einem Kasten oder geschnitzten Tram begeg-netst, an dem 1986 oder eine andere junge Jahreszahl prangt?

Eine nicht zu große Gruppe der hiesigen Bevölkerung — die Geschäftsleute und Nachkommen der Gewerke der Hammerwerkszeit - hat sich seit jeher mit Antiquitäten, Bildern und dergleichen mehr umgeben. Auch für sie muß der Händler Ware parat haben, es soll ja nicht heißen, er könne nur „Bäuerliches“ beschaffen. Barock, Empire, Biedermeier, der Historismus, das Altdeutsche, der Jugendstil haben Einzug in die Läden auch der Händler gehalten, die abseits der Bevölkerungsballung leben.

Fast denkt man, es wäre angebracht, solche Läden „Antiquitätengeschäft“, „Alte Kunst“ oder ähnlich zu nennen. Welch lächerliche Unterschiede doch Konzessionen beinhalten!

So findet auch der Städter — er hat sich in unserem Viertel ein Stückchen Land mit oder ohne Haus gesichert — den Weg zum ortsansässigen Händler. Auch deshalb, weil er berechtigt glaubt, daß die gesuchte Kommode, der Empire-Spiegel, das Jugendstiltischchen am Alpenrand billiger ist als in der Großstadt.

Letztlich gibt es noch die Fein-. spitze, jeder Bevölkerungsschicht entstammend. Sie sammeln seit der Kindheit, mehren Ererbtes, haben enormes Fachwissen, Gefühl, einen Riecher und auch jetzt noch Glück. Diese Mitbürger sind Gesprächspartner im Laden, wissen über Preis, Herkunft, Verwendung des „Zeugs“ gut — meistens besser als der Verkäufer — Bescheid und gehen mit der Befriedigung aus dem Laden, alle gesehenen Dinge schon lange und in hervorragendem Zustand zu besitzen.

Der Autor ist Volksschuldirektor und Inhaber einer Galerie für alte Volkskunst in Am-stetten.

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