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Der böse Wille war spürbar Ein neuer Tiefpunkt im Programm

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Die FURCHE hat zur Staatsoperette eine Reihe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens um ihre Meinung befragt:

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Die FURCHE hat zur Staatsoperette eine Reihe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens um ihre Meinung befragt:

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Ministerialrat Dr. Kurt Skalnik, Präsident des Presseclub Concordia

Die „Staatsoperette” erwies sich als eine „Staatsbeschimpfung”, als eine dummdreiste Verhöhnung der Geschichte unserer Republik und ihrer Akteure. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine solche ebenso infantile wie perfide Produktion, die keinerlei Anspruch auf eine „künstlerische” Qualifikation erheben kann, in einem anderen Land, etwa in Frankreich, staatlich subventioniert und den Fernsehern zugemutet werden könnte. Das Monopol des ORF, das ich persönlich für gerechtfertigt halte, verlangt eine erhöhte Verantwortung in allen staatspolitischen Fragen. Daß Katholiken gegen den Mißbrauch religiöser Symbole und Gebete protestieren, wundert mich nicht. Es wundert mich jedoch, daß die Sozialisten zur Verhö- hung der großen Tradition und der Männer ihrer Partei Beifall klatschen können. Alles im Namen der Geistesfreiheit? Nur keine „Zensur”? Es gibt aber auch eine Zensur des guten Geschmacks und Grenzen, welche die Ehrfurcht vor den Toten setzen muß. Gehen beide einmal verloren, dann beginnt das Fundament, auf dem Österreich nach 1945 wieder aufgebaut wurde, locker zu werden. Will man dies - staatlich subventioniert?

Dr. Richard Barta, Chefredakteur der Kathpress

In der künstlerisch gar nicht diskutierbaren „Staatsoperette” zeigt sich drastisch die Lust mancher Österreicher zur Selbstzerstörung. Der böse Wille war deutlich spürbar, das kam ja auch bei einer Äußerung eines der Autoren zum Ausdruck, der sagte: „Wir wollen wieder Gräben aufreißen.” Mir wird Angst, wenn ich daran denke, daß es wieder zu einer Polarisierung der politischen und weltanschaulichen Lager kommen könnte und wieder „Erzengel” aufstehen, die drohend den Finger erheben. Sollte nicht alles, was in der Zweiten Republik an unheilvollen Gräben wieder zugeschüttet wurde, vergeblich sein, dann müßte es bald zu der von Bischof Weber geforderten „Koalition der Vernünftigen” kommen.

Univ.-Prof. Dr. Adam Wandruszka

Wozu das Ganze? Die Staatsoperette war einfach schlecht, geschmacklos, witzlos und hat die innere Problematik der Zwischenkriegszeit in keiner Weise getroffen. Diese Sendung war noch dümmer und humorloser als die „Babenberger”, hatte aber den Vorteil, daß sie kürzer war. Der Höhepunkt der Frechheit war, daß dieser „Schmarren” in der Diskussion auch noch mit Meisterwerken wie „Die letzten Tage der Menschheit” verglichen wurde. Dabei ist außerdem die Geschichte verfälscht dargestellt worden. Ein Beispiel: Seipel, der mit Mussolini einen schweren Konflikt über Südtirol hatte, hat bei diesem niemals Geld geholt.

Bischof Weber:

Ich schließe mich der allseits vertretenen Meinung an, daß das eine tendenziöse und beleidigende Ge- , Schichtsdarstellung war; obwohl das Stilmittel der Karikatur verwendet worden ist, glaube ich, daß doch ein sehr verwundeter Eindruck geblieben ist, und daß man die Frage stellen muß, wie die Kirche in diesem Land eigentlich behandelt wird.

Minister a. D. Dr. Heinrich Drimmel

Als künstlerische Produktion war das Stück sehr schwach. Wenn es als geschichtliche Rückblendung gedacht war, war es Lüge. Ein Katholik mußte dabei den gewollten Hohn und die Verspottung der Religion und der Kirche empfinden. Im großen und ganzen ein neuer Tiefpunkt im ORF-Programm!

FPÖ-Obmann Friedrich Peter

Die Staatsoperette ist ein unüberlegtes und unausgereiftes Produkt von zwei jungen Menschen, die die Geschichte der Ersten Republik weder durch persönliches Erleben, noch offenbar durch grundlegendes Studium zu kennen scheinen. Ich bedaure zutiefst dieses unüberlegte Machwerk, das eine der schwierigsten Phasen der Ersten Republik in dieser unqualifizierbaren Weise darstellt. Jedes Volk muß vor der eigenen Geschichte Respekt haben. Ich gehöre zu jener Generation, die diese Phase jung miterlebt hat und zumindest vor den Toten Respekt hat. Ansonsten zeigt die

Staatsoperette einen kulturellen Tiefstand wie ihn der österreichische Rundfunk seit seinem Bestehen nicht aufzuweisen hatte.

Dr. Viktor Matejka, Schriftsteller

Es fehlte der Schlußakt bei der Operette. Es fehlten die Endjahre des Staates 1933 bis 1938: vom Schimmel, auf dem Dollfuß nach dem Katholikentag 1933 ins Malheur ritt, bis zum totalen Versagen, als Gott allein Österreich schützen sollte. Trotzdem und trotz mancher Himrissigkeiten ist die „ORFische” Staatsoperette nicht zu negieren. Der Versuch soll jetzt nicht nur diskutiert, auf keinen Fall zerredet, zerschimpft werden. An ihn ist bald wieder anzuknüpfen, es gibt noch vielerlei Möglichkeiten, aus der Ersten Republik das herauszuholen, was ohne Zweifel drin ist. Ästhetik und freie künstlerische Gestaltung einerseits und Auswahlprinzipien der Wirklichkeit anderseits gegeneinander auszuspielen, führt zu nichts und versperrt jede fruchtbare Entwicklung. Das Opus Österreich ist seinerzeit mißlungen, weil leider sehr viele Österreicher in verantwortungsvollen Positionen versagt haben. Es soll sich daher niemand wundern, wenn die Operette einspringen muß. Ich halte auch eine Oper nicht für ausgeschlossen.

Erika Mitterer, Schriftstellerin

Die Staatsoperette ist ein widerliches Machwerk, das an die niedersten Instinkte appelliert, bösartig und streckenweise einfach langweilig. Verblüffend, fast entwaffnend aber dann die naive Wehleidigkeit des Herrn Zykan, der sowöhl Christen wie Sozialisten bewußt herausfordert und rücksichtslos verhöhnt und dann unter „Schock” steht, weil es aus dem Wald genauso heraushallt, wie er hineingerufen hat. Nur für ihn und seinesgleichen könnte das Ganze ein Denkanstoß werden.

(Die Interviews machten Alfred Grinschgl und Burkhard Bischof)

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