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Diskriminierte Minderheit

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Schwierigkeiten hatte ich nie mit meinen beiden „Linken“. Doch - einmal, als ich mit meiner linken „Rechten“ schreiben lernen sollte. Zuvor konnte ich meine Händigkeit völlig ausspielen, ich konnte, wann ich wollte, mit dem Löffel in der linken Hand essen, meine ersten Zeichenversuche mit der „Linken“ vollbringen…

Die versuchte, doch glücklicherweise mißlungene Umschulung, bereitete mir umso mehr Schwierigkeiten, als sich, nachdem ich bereits mit der linken Hand schreiben gelernt hatte, meine „Rechte“, und nicht nur diese - mein Wille war auch nicht sehr stark - weigerte, da mitzutun.

Als Kind war ich oft stolz auf meine Händigkeit; man meinte, Linkshänder seien begabt. Leonardo da Vinci, Nietzsche, Heine, Mozart, Beethoven und Goethe, sie alle waren Linkshänder.

Ich kann mir gut vorstellen, daß manche Eltern ‘eine für sie schwierige Entscheidung zu treffen haben, wenn es um die Frage der Umschulung geht. Pseudorechtshänder sehen sich konfrontiert mit Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen: die möglichen Folgen einer Umschulung. Aber man fallt dafür nicht auf. Ein Rechtshänder wurde noch nie gefragt: „Sie sind ein .Rechter*?“

Am Institut für Psychologie der Universität Wien hat sich Univ.- Ass. Roswitha Kaidach besonders mit den Linkshändern befaßt „Wir leben in einer rechtsorientierten Gesellschaft“, meint sie. Alles ist auf den Rechtshänder ausgerichtet, die Linkshänder bleiben immer in der Minderheit Wenn etwa im handwerklichen Bereich Werkzeug und Maschi nen auf den Rechtshänder abgestellt sind, reagiert der Linkshänder spontan mitunter falsch und verursacht Unfälle.

Wieviele Linkshänder es in Österreich gibt, ist genatu nicht festzustellen. Denn je mehr die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, daß es falsch ist, die Kinder „umpolen“ zu wollen, desto mehr „Pseudorechtshänder“, umerzogene Linkshänder, kommen wieder zur angestammten Linkshändigkeit zurück und verändern damit die Statistik.

Wenn bei einem Kind eine eindeutige Linkshändigkeit festzustellen ist, meint die Assistentin,

sollte man es nicht umschulen lassen, da dieser Zwang Folgen hat. Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen kommen aus dieser Vergewaltigung des Gehirns, denn Linkshändigkeit ist nichts anderes als eine von der Mehrheit abweichende Dominanz der einen Gehirnhälfte über die andere. Die heute so „modernen“ Verhaltensstörungen der Kinder, Konzentrationsschwierigkeiten kommen in vielen Fällen aus der Schwierigkeit, daß das Kind mit der „falschen“ Hand etwas tun soll, was es damit nicht kann.

Für die Eltern ist es oft schwierig festzustellen, wie stark das Kind zur Linkshändigkeit tendiert. Sie sollten es dann nicht sofort umschulen lassen, sondern erst einen Psychologen beiziehen, rät die Wissenschaftlerin. Und schon in den ersten Informationsschriften, die die Eltern bei der Geburt des Kindes erhalten, sollten Hinweise gegeben werden, daß die Eltern ihr Kind nicht von vomeherein als Außenseiter betrachten, meint Roswitha Kaidach.

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