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Ein Hamlet zum Nachdenken

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(Schauspielhaus, Wien) Das Ensemble hatte sich mit Shakespeares „Hamlet“ unerhört viel vorgenommen, die Erarbeitung eines neuen deutschen Textes, die Aktualisierung der Handlung, Teamwork, und damit auf ein Abenteuer eingelassen, das grauenhaft hätte ausgehen können. Doch eine große, exemplarische Aufführung entstand.

Die Sprache wirkt entrümpelt, aber nicht verarmt, nicht ihrer Poesie beraubt. Die Handlung ist in den zwanziger oder dreißiger Jahren angesiedelt, aber ohne jene Konsequenz, die auf Kosten der Substanz ginge. Da wird zwar im Frack agiert und ein Rundfunkinterview gegeben, aber jeder Krampf vermieden, Hans Gratzer (Regie) spielt mit den Assoziationen, ohne sie durchzuziehen, so gelang ein unserer Zeit sehr naher „Hamlet“, der mich vermuten läßt, daß mir die Kostüme der nächsten konventionellen „Hamlet“-Inszenierung als unnötiger Verfremdungseffekt erscheinen werden.

Der Auftritt des Vater-Geistes wurde zu einem Angelpunkt der Interpretation: Er kommt im Straßenanzug und springt Hamlet auf den Rücken, Hamlet spricht mit, Vater und Sohn als eines, die Stimme des Geistes als innere Stimme: da drängt sich wieder einmal der Gedanke an wissenschaftliche Erkenntnis auf, die Shakespeares intuitive Kenntnis des Menschen vorwegnahm. „Hamlet“ - ein politisches Psychodrama.

Großartig Karl Menrad, der die „Komödianten“ verlassen hat und um den, fürchte ich, es jetzt ein großes Griß geben wird, großartig Maria Bill als Königin und Frank Dietrich als Claudius, König von Dänemark, wie überhaupt das ganze Ensemble, überzeugend Gratzers Raumkonzept, in dem innere und äußere Räume einander durchdringen, und durchaus überzeugend und organisch die Streichungen.

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