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Nüchterner Poet

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Schon sein Antlitz verrät die Zwiespältigkeit seines Wesens. Er hat fast harte, abweisende Züge, gäbe es nicht manchmal dieses Lächeln, dieses leichte, fast schwärmerische Aufhellen seines Gesichtes.

Rainer Kunze ist einer der Verstoßenen. Aus Ost-Deutschland wurde er ausgewiesen, weil er die Situation der Jugendlichen dort beschrieben hatte. In West-Deutschland wurde er bejubelt wie ein Wunderkind. Er vertrug das nicht: diese plötzliche Be-

rühmtheit, das Gefühl, ständig einer lauernden, sensationslüsternen Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Er kapselte sich ab. Das trug ihn den Ruf ein, ein unsympathischer Eigenbrötler zu sein. Er ist es nicht.

Seine Gedichte sind leise, schlicht, ohne Beiwerk. Fast wie Träume von einer unendlichen Harmonie, die durch nichts gestört werden kann. Die Harmonie der Natur. Beim ersten Lesen wirken sie banal: Beobachtungen, hinter denen scheinbar nichts steckt.

Das Geheimnis des Rainer Kunze erschließt sich erst beim zweiten Blick. Wenn man die Fassade der Distanziertheit und der Unverbindlichkeit, der scheinbaren Härte aufbricht

Da dringt man in seine Träume vor. In die Sehnsüchte eines Knaben, der noch von einem Leben in Unbeschwertheit träumt. Wenn Rainer Kunze liest, kann man das Knabenhafte, das Schwärmerische an ihm sekundenweise bemerken. Wenn er vom Buch aufblickt, ganz leise lächelt und sich dann sofort wieder konzentriert und seine Maske aufsetzt

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