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Tabletten vom Reibbrett

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Die Herstellung von Tabletten ist auch heute noch eine unerhört komplizierte Angelegenheit, müssen doch neben der Auswahl eines oder mehrerer Wirkstoffe noch ein ganzes Arsenal von Binde- und Sprengmitteln (zerfallfördernde Substanzen) herangezogen werden, bis Tabletten entstehen. Die Schwierigkeit, aus vielen tausenden Hilfstoffen den geeigneten herauszufinden, könnte wegfallen, sollte sich die Idee eines Innsbrucker Wissenschafters verwirklichen lassen: Die Konstruktion einer Tablette „am Reißbrett“.

Noch ist das nicht möglich. Allerdings liegt der „theoretische Aufbau“ einer Tablette durchaus im Bereich des Möglichen. Dr. Artur Bürger vom Pharmakognostischen Institut der Universität Innsbruck ist es zum ersten Mal gelungen, unter Ausklammerung aller Hilfsstoffe allein durch die Umwandlung der Kristalle eines Wirkstoffes — im konkreten Fall ein blutzuckersenkendes Mittel — direkt Tabletten herzustellen.

Neben den rein technologischen Vorteilen zeichnen sich diese Tabletten noch durch eine schnellere Wirkstoff-Freigabe aus, sie sind damit für den Menschen auch weitaus besser „biologisch verfügbar“. Außerdem lösen sich die durch Kristall-Manipulation gewonnenen Produkte rascher als bisher in Flüssigkeiten auf.

Aber auch eine zweite Beobachtung des Tiroler Polymorphie-Ex-perten (der Name bezieht sich auf die Vielgestaltigkeit der WirkstoffKristallformen) wird früher oder später ihre Auswirkungen für die Herstellung von Tabletten haben: Bei der Untersuchung der mechanischen Eigenschaften von Tabletten — so etwa der Bruchfestigkeit — fiel Dr. Burger auf, daß bei Verwendung einer bestimmten, von ihm umgewandelten Kristallform trotz besserer Freigabe der Wirkstoffe eine bis zu fünf Mal größere Bruchfestigkeit zu erreichen war. Und das, obwohl die Tablette sonst genau nach dem gleichen Rezept hergestellt wurde. „Einfach ausgedrückt bedeutet das: Die Tablette zerfällt schneller, ist biologisch weitaus besser als bisher verfügbar, aber trotzdem stabil“, betont Burger.

Mit diesen Forschungen ist eine Möglichkeit zur direkten Tablettierung ohne Umwege über diverse Hilfsstoffe oder vorbereitende Granulierung deutlich abgesteckt. Freilich wird es noch vieler Untersuchungen bedürfen, bis die „Tablette vom Reißbrett“ tatsächlich Realität wird.

Für diese äußerst komplizierten Forschungen steht am Pharmakognostischen Institut der Innsbrucker Universität ein sehr solides wissenschaftliches dSrundlagenwissen zur Verfügung. Ist doch die Polymor-phie-Forschung, also die Arbeit mit den verschiedenen Kristallformen, seit Jahrzehnten eine „Spezialität des Hauses“.

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