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Furst der Armen

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CLAUDE HENRI GRAF SAINT SIMON - FÜRST DER ARMEN. Von Rudolf K a y s e r. Verlag Georg D. W. Calway, München. Ge bunden, 182 Selten. DM 12.80.

In einer Zeit, in der sowohl in der Nationalökonomie als auch in einzelnen Soziallehren die Theoretiker vom Wachstum in einer besonderen Weise fasziniert sind, tut es not, daß man sich wieder eines Mannes erinnert, der gleichfalls (auf Grund eines Aufenthaltes in den USA) seine Theorien vom industriellen Wachstum bestimmen ließ: Graf Saint Simon. Der Titel nennt ihn zu Unrecht einen „Fürst der Armen“. In erster Linie war St. Simon ein Sozialromantiker, dem die „Armen“ ein Gegenstand seiner Betrachtungen und ein Argument für seine Theorien gewesen sind. Nicht mehr. Wenn auch nicht Wissenschaftler, sondern lediglich genialer Autodidakt und faszinierender Mensch, hat St. Simon doch eine Schule geschaffen, die bestimmenden Einfluß auch auf die moderne Wissenschaft auszuüben vermochte; schließlich war er indirekt der Begründer der systematischen Soziologie. Comte ist einer seiner Schüler gewesen, wenn es auch manche gibt, die behaupten, daß die Grundgedanken des Comte bereits bei St. Simon zu finden sind. Zumindest beim jüngeren St. Simon, der noch Positivist gewesen ist, während der ältere und durch persönliche Schicksale um viele Erfahrungen reichere St. Simon sich wieder einem freikirchlichen Christentum zuneigte.

Es bedürfte einer gesonderten Untersuchung, festzustellen, wie weit St. Simon durch Intuition, durch eine großartige Interpretation der sozialen Bedingungen seiner Zeit und der in ihr angelegten Entwicklungschancen, die sozialwissenschaftlichen Theorien und manche Spielarten des Sozialismus beeinflußt hat. Leider bleibt uns der Autor des vorliegenden Buches vieles schuldig.

Das Buch, das uns vorgelegt wurde, ist eine sprachlich gute Schilderung des Lebens von St. Simon. Obwohl der Autor offenkundig mehr *.u bieten hätte und dies an vielen Stellen andeutet, beschränkt er sich auf eine deskriptive Darstellung. Wer vom Leben des St. Simon erfahren will, dem kann das Buch sehr empfohlen werden. Die Darstellung seiner Theorien und ihres Bezuges auf die modernen Theorien und eine Schilderung der sozialökonomischen Bedingungen, die im Werk von St. Simon reflektiert werden, fehlt noch.

Das Buch von Kayser bestärkt den Wunsch nach einer Ergänzung und läßt gleichzeitig vermuten, daß der Autor selbst durchaus in der Lage wäre, diese Ergänzung selbst zu schreiben.

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