Moskau-Mekka als neue Welt-Achse?

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Konferenz an der Wolga unterstreicht erneut und unmissverständlich das Zusammengehen von postkommunistischem Russland und politischem Islamismus. Es wird sogar behauptet, dass der russischen Orthodoxie die Muslime viel näher stünden als alle westlichen Christen.

Diese provozierende Aussage erfolgte Anfang September in Kasan auf der Konferenz "Russland - islamische Welt" aus dem Mund von Nikita Michalkow. Dieser ist nicht "nur" der heute auch bei uns im Westen bekannteste russische Filmemacher: Der Sohn von Stalins - und heute Putins - Hofpoeten Sergej Michalkow, Dichter der sowjetischen wie jetzt der neuen russischen Nationalhymne. Michalkow junior gehört inzwischen dem Vorstand von Russlands "Kulturrat" an der Kremlpräsidentschaft an. Seine elastische Wandlungsfähigkeit vom Hurrakommunisten zum konservativen Nationalrussen hatte er schon in den beiden "Sonnenfilmen" unter Beweis gestellt: 1959 als Halbwüchsiger im Sowjetstreifen "Die Sonne scheint für alle", 1994 als Regisseur der Stalinanklage "Die Sonne, die uns täuscht". Diesem erschütternden Film, für den er sogar den Oscar erhielt, verdankt Michalkow sein Ansehen im Westen. Heute ist der Regisseur und Schauspieler zum Putin'schen Ideologen verkommen, der die neue eurasische Kulturgemeinschaft von orthodoxen Russen und Muslimvölkern verkündet.

Bei seiner traurigen Feststellung in der Hauptstadt der Föderationsrepublik Tatarstan, die in einer besonderen Absage an den Katholizismus gipfelte, bleibt es der einzige Lichtblick, dass sich die russisch-orthodoxe Kirche diesmal nicht für die Staatsräson einspannen ließ. Ihre Vertreter und ihre Medien ignorierten das Ereignis von Kasan. Schließlich ist die orthodoxe Anbiederung von Michalkow an den Islam auch theologisch unhaltbar. Wenn überhaupt, so gibt es äußerliche Berührungspunkte zwischen Calvinisten und Muslimen. Schon einer der ersten türkischen Paschas in Ofen, dem heutigen Budapest, hatte diesbezüglich in einem Bericht an den Sultan auf die ungarischen Reformierten hingewiesen. Er rühmte ihre Bilderfeindschaft, allgemeines Priestertum, Zurückdrängung der Sakramente zugunsten von Gebetsgottesdienst und Predigt, behauptete schließlich die innere Verwandtschaft von Prädestination und Kismet.

Das hindert heute einen Putin nicht, sein wieder bewusst orthodoxes Russland mit den islamischen Mächten zusammenzuschließen. Das ist ein politisches, kein religiöses Anliegen. In Kasan war es neben Michalkow der frühere Außenminister und Orientspezialist Jewgenij Primakow, der das große Wort führte. Er fand Unterstützung von der Muslimen-Dachorganisation "Islamische Konferenz", vom Iran aber auch Saudi-Arabien für eine neue, "multipolare" Weltordnung mit den beiden Schwerpunkten Moskau und Mekka. Diese Konstellation soll an die Stelle der globalen US-Hegemonie mit ihrem Planetarchen George Bush treten.

Heinz Gstrein

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung