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Ritus des Aschenkreuzes: Verbindung von Tod und Leben

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Aus Palmkätzchen wird die Asche hergestellt, die am Aschermittwoch verwendet wird: Der alte Ritus des Aschenkreuzes hat auch in der Gegenwart elementare Bedeutung.

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Aus Palmkätzchen wird die Asche hergestellt, die am Aschermittwoch verwendet wird: Der alte Ritus des Aschenkreuzes hat auch in der Gegenwart elementare Bedeutung.

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In einer Gesellschaft, die ihr Licht und ihre Wärme aus Fernversorgungssystemen bezieht, ist nicht nur der elementare Bezug zum Feuer, sondern auch zu dessen „Überbleibsel", der Asche, verlorengegangen. Daß Asche eine kulturelle, ja sogar rituelle Bedeutung haben kann, ist mir zum ersten Mal in Indien aufgefallen. Am Ufer des Ganges in Varanasi und anderswo fallen dem Touristen merkwürdig grauschmutzige Asketen auf, die scheinbar bewegungslos an einem Ort verharren. Sie sitzen mit Asche beschmiert in ihrer Meditationshaltung und gehören zum fixen Bestandteil des religiösen Panoptikums dieses Landes.

Asche ist das, was übrig bleibt, wenn das reinigende Feuer alles verzehrt hat. Diese Asche ist nichtig und wertlos. In ihr findet die Eitelkeit der Welt ihr schockierendes Ende. Nicht nur im fernen Asien, sondern auch in der Welt des Alten Testamentes ist Asche in ritueller Verwendung.

Nicht einmal Könige schrecken davor zurück, in „Sack und Asche" Buße zu tun oder sich diese über das Haupt zu streuen, wenn es darum geht, einen falschen Weg zu verlassen und eine Umkehr einzuleiten.

Von diesem kleinen religionsgeschichtlichen Vergleich her wird uns der Ritus des Ascheauflegens am Aschermittwoch noch deutlicher.

Doch woraus wird diese rituelle Asche hergestellt?

Sowohl der dazugehörende Text im Meßbuch als auch der Volksmund wissen es: aus den Palmkätzchen des Vorjahres. Dieser Hinweis ist bedeutsam. Es ist dem großen Gelehrten und Theologen Hugo Rahner hoch anzurechnen, daß er eine religionsgeschichtliche Untersuchung über die Weide und deren Blüten (die Palmkätzchen) durchgeführt hat. Erst durch sein Forschen wird das Geheimnisvolle an dieser Pflanze zu einem erkennbaren Symbol. Homers Odyssee läßt die Weide am Jenseitstor wachsen und das alte griechische Brauchtum weiß, daß die Weide beides ist: Symbol des Lebens und des Todes. Quer durch die christliche Frühgeschichte zieht sich die Spur des Weidenzweiges mitten in die Liturgie des Palmsonntages und des Aschermittwochs hinein. Sind die Weidenzweige, die wir eine Woche vor Ostern als Jubelzweige für Christi Einzug in Jerusalem hochhalten, ein Symbol der Kraft, der Dynamik und des Lebens, so ist ihre Asche zur Einleitung der Fastenzeit ein Bild des Schreckens. „Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst!" - So ruft der Priester beim Auflegen der Asche aus und streut die verbrannte Weidenpflanze über den Häuptern der Umkehrwilligen aus.

Durch diesen Akt landet mehr als nur simple Asche auf unserer Kopfhaut. Die Weide ist eine Pflanze, die ihre Früchte abwirft, bevor sie reif geworden sind. Sie, die wasserliebende Frühlingsbotin ist gleichzeitig todbringend („fruchtverderbend) und voller Leben sprießend.

Diese geheimnisvolle Verbindung von Unterwelt und Lebendigkeit mahnt uns zu Beginn der Fastenzeit zur Umkehr und zur Vorbereitung auf Ostern, dem Mysterium von Tod und neuem Leben. So wird der Aschermittwoch eine, wenn auch schockierende Ahnung von Ostern: Tod und Leben werden verbrannt, auf daß eine Neuschöpfung geschehe.

Asche einwirken lassen

Mit dem Verbrennen der Weide und der Bereitung der Asche für den Empfang des Aschenkreuzes geschieht aber noch mehr. Normalerweise werden die Zweige vom Palmsonntag so aufbewahrt, daß sie das ganze Jahr über sichtbar sind. Nur zum Räuchern während der weihnachtlichen Rauh nächte nimmt man ein paar Zweige davon. Ansonsten stehen sie zumeist als Zeugen des alltäglichen Lebens in einem Winkel unserer Wohnräume. Fast ein ganzes Jahr lang sind diese Zweige, die von sich aus schon Bild für Leben und Tod sind, Beobachter unseres Lebens. Am Aschermittwoch werden diese verbrannt und mit ihnen das vergangene Jahr.

Welches bessere Bild, welches kraftvollere Symbol könnte der christliche Kult uns geben als diese Asche aus den Palmkätzchen. Jeder, der zu einem Neubeginn ansetzen möchte, ist gut dabei beraten, diese heilige Asche länger als nur ein paar Minuten auf sich einwirken zu lassen.

Der Autor ist Rektor des Bidungshauses St Georgen am Längsee.

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