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Lichtspiel — kein Kinderspiel

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Der Film ist in Oesterreich Landessache. So hat u. a. Niederösterreich in einer Novelle des Landeslichtspieltheatergesetzes die mögliche Altersgrenze auf das vollendete 18. Lebensjahr hinaufgesetzt und jene Stelle im Gesetz gestrichen, die das Mitnehmen von Schoßkindern ins Kino gestattet. Auch andere Bundesländer haben in diesen Punkten ihre Gesetze geändert oder sind eben dabei. Was die Ausweisleistung der Jugend betrifft, so kann sie im Zweifelsfalle jederzeit vom Kinobesitzer oder von Sicherheitsorganen gefordert werden. Es ist Sache dieser Personen, es auch stichprobenartig zu tun. Wenn trotzdem manchenorts das Jugendverbot nicht so gehandhabt wird, wie es sein sollte, so liegt es an der Unzulänglichkeit von Menschen, die dies entweder nicht können oder nicht wollen.

Früher war es in den Kinos der Provinz üblich, zwei Sitze bei jeder Vorstellung für Gendarmerie und Lehrerschaft freizuhalten. Leider kam diese Sitte ab; es wäre gut, sie wieder zu erneuern. Allein die Anwesenheit dieser zwei Personen würde viele davon abhalten, das Jugendverbot zu übertreten. Außerdem könnten auf diese Weise die Lehrkräfte über das gebotene Filmprogramm auch wirklich eine Aussage machen. Um die Aufsichtspflicht der Eltern zu verstärken, haben viele Landesjugendreferate, allen voran die Steiermark, eine großzügige Aufklärungsaktion über ihr Jugendschutzgesetz und die Landeskinogesetze durchgeführt. Auch von der immer noch ausständigen Selbstkontrolle der Filmwirtsehaft wäre eine Besserung des Gesamtprogramms zu erwarten. Verbote allerdings sind und bleiben der geringere Teil. Wirksamer werden immer positive Maßnahmen sein. Hier sind bisher erfolgreich gewesen:

® Die Gründung der Aktion „Der gute Film" des Unterrichtsministeriums.

® Die Gründung von Landeskuratorien in einzelnen Bundesländern, die in derselben Richtung operieren.

Die Arbeit für den guten Film in der Erwachsenenbildung wurde dadurch wesentlich verstärkt und hat im Burgenland, in der Steiermark, in Niederösterreich, in Salzburg, in Wien, aber auch in den anderen Bundesländern gute Erfolge gezeitigt. Laufend werden Listen von jenen Filmen herausgegeben, die einzeln über die Verleiher für Aktionsvorstellung zu haben sind. Mehr als 100 Arbeitsunterlagen stehen jenen zur Verfügung, die solche Filme einleiten und nachher diskutieren wollen. Filmtagungen wurden abgehalten, ein laufender Telephonrufdienst in Wien und Graz eingeführt.

In diesem Zusammenhang muß gerechterweise erwähnt werden, daß die Katholische Filmkommission mit ihrer „Filmschau“, die Evangelische Filmgilde und die Filmabteilung des Oesterreichischen Gewerkschaftsbundes schon seit Jahren wertvolle Erziehungsarbeit durch ihre Beurteilungen und Schulungskurse leisten. Ebenso gewinnen die Filmkritiken unserer Tagesund Wochenzeitungen immer mehr Format — und Leser. Alle diese Bestrebungen kommen der Volksbildungsarbeit zugute, die schon seit Jahrzehnten von der Urania und ihren Zweigstellen besonders auf dem Gebiet des Kulturfilms beispielgebend durchgeführt wurde.

Eine gründliche Ueberlegung führt jedoch dazu, bereits die Jugend ab dem zehnten Lebensjahr in der Schule zum Geschmack am guten Film zu erziehen. Auch hier ist viel geschehen.

• Das Unterrichtsministerium gestattete in einem Erlaß, daß viermal innerhalb eines Schuljahres während des Unterrichtes die Schule (Klasse) einen Spielfilm besuchen darf; die Vorbereitung der Schüler und Auswertung des Filmerlebnisses erfolgt durch den Lehrer.

• Das Bundesministerium für Unterricht ist dabei, einen Jugendfilmfonds einzurichten, der die „Aktion" in die Lage versetzt, dem größten Mangel, nämlich den an geeigneten Jugendfilmen, wirksam zu begegnen.

• lieber die Abteilung Film und die Abteilung Jugend werden Filmtagungen veranstaltet, in der Zeitschrift „Die Jugend“ laufend Diskussionsbeiträge und Besprechungen von Filmen geboten und die Filmarbeit der Länder maßgeblich unterstützt.

® Die bundeseinheitliche Prädikatisierungskom- mission ist im Werden.

® Das Bundesministerium für Unterricht hat wiederholt erklärt, daß mit der Prädikati- sierung auch gewisse Steuererleichterungen in allen Instanzen verbunden sein müßten.

Auf der letzten Kinder- und Jugendfilmtagung in Mannheim wurden die Berichte aus Oesterreich zum Teil mit größtem Erstaunen aufgenommen, weil die älteren Bemühungen der Deutschen Bundesrepublik (DBR) noch nicht so weit gediehen sind. Als Beispiel sei aus dem ersten Arbeitsjahr Niederösterreichs angeführt:

• Herausgabe eines Jahresfilmalmanachs für den Lehrer (86 Seiten, 10.000 Stück Auflage).

• Rund 1200 Termine von Spielfilmveranstaltungen für die Schuljugend im Rahmen der Filmerziehung im Schuljahr 1958 59.

• Von 25 Schulbezirken wurde in 15 ein Filmschulungstag für die gesamte Lehrerschaft abgehalten, der in einer Mischung von Referaten, Kurzfilmen und einem Spielfilm die Lehrerschaft von der Notwendigkeit dieser Erziehungsaufgabe überzeugen sollte.

• Für jeden Bezirk, jeden Ort und jede Schule wurde nach Möglichkeit ein Filmreferent ausgesucht. In zentralen Filmschulungskursen werden diese Filmreferenten ständig mit den Fortschritten des Filmwesens bekanntgemacht. Nach dem ersten Versuchsjahr in Niederösterreich darf man sagen, daß die Filmerziehung sowohl in ihrem pädagogischen Anliegen als auch in ihrer organisatorischen Durchführung auf dem richtigen Weg sein dürfte. Alle Mitarbeiter sind mit Freude bei der Sache und hüten sich vor „grausamen Vereinfachungen“. Mit Verboten allein wäre wenig getan. Wir müssen die jungen Leute an den guten Film heranführen, durch die Gewöhnung an ihn ihren Geschmack bilden und sie sehend machen, daß sie ihre junge Persönlichkeit nicht dem Film unterordnen, sondern sich ihm gegenüber bewähren und das ihre dazu beitragen, diese große Erfindung dem wahren Fortschritt und der echten Freude dienstbar zu machen.

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