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Lust aufs Land

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Knödelservice, Heubäder, Bauernbuffet, Erdäpfel-Erlebniswochen, Advent am Bauernhof: 00-Bauern machen dem Gast den Urlaub schmackhaft.

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Knödelservice, Heubäder, Bauernbuffet, Erdäpfel-Erlebniswochen, Advent am Bauernhof: 00-Bauern machen dem Gast den Urlaub schmackhaft.

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Wenn Familie Rummele aus Reutlingen zu Hause die Dias von ihrem „Urlaub am Bauernhof” in der Begion Pyhrn-Eisenwur-zen vorführt, bekommen Großeltern, Freunde oder Bekannte nicht nur einen Eindruck von der herrlichen Landschaft, dem Hof, den Tieren und den freundlichen Bauersleuten. Sie erhalten auch eine Kostprobe vom Stoderer Rauchfleisch, vom Knoblauchspeck und natürlich vom Nußgeist, dem Schnaps der Region. Auch Berghonig, Zwetschkenmarmelade, Dörrobst oder hausgemachter Bauernlebkuchen aus dem „Pyhrnkist'l” erinnern an den Urlaub.

Die Bäuerin Anni Gegenhuber vom „Hiasngut” in Obergrünburg stellt die Spezialitäten von den Bauernhöfen aus der Ferienregion Pyhrn-Eisenwurzen jeweils frisch zusammen, verpackt alles hübsch in ein Holzkisterl und sendet es den Urlaubsgästen per Post nach. Eine von vielen Ideen, um den „Urlaub am Bauernhof” noch schmackhafter zu machen und bäuerliche Produkte attraktiv zu vermarkten.

Die Urlaubsliebe der Feriengäste in Oberösterreich geht durch den Magen. Bei einer Gästebefragung des Landes-Tourismusverbandes in 37 Gemeinden gaben 82 Prozent der Befragten an, daß ihnen gutes Essen und Trinken im Urlaub am wichtigsten seien. Eine Chance für „Schman-kerln” vom Bauernhof, direkt verkauft oder in Zusammenarbeit mit der Gastronomie. Gestützt durch regionale Produktions- oder Vermarktungsgemeinschaften oder als innovative Einzelkämpfer suchen Oberösterreichs Bauern und Bäuerinnen nach Marktnischen für ihre Produkte. Jetzt verstärkt durch den EU-Druck zur Umstellung der Produktion.

Wem bei den Stichworten „Bauer” und „Tourismus” nur „Urlaub am Bauernhof” einfällt, der liegt zwar auch in Oberösterreich nicht falsch, sieht aber die Sache zu eng. In Oberösterreich gibt es mehr als 500 bäuerliche Vermieter. 470 haben ihre Ausstattung und ihr Angebot für die gemeinsame Werbung in einem Katalog klassifizieren lassen. Zahlenmäßig, ist Johanna Pernkopf vom

„Landesverband Bäuerlicher Gästeringe” überzeugt, ist der Plafond erreicht: „Der Trend geht eindeutig in Richtung Qualitätsverbesserung und Spezialangebote.”

Die Palette reicht von „Babyhöfen” mit saisonalen Angeboten (Almabtrieb, „Advent am Bauernhof”) und kinderfreundlich ausgestatteten Landgasthäusern über „Reiterhöfe” bis zu den Bio-Bauernhöfen. Aus einigen Bio-Höfen könnten, dem Trend entsprechend, durch Erweiterung des Angebotes (Kneippen, Taulauf, Gymnastik) „Gesundheitshöfe” werden.

Vieles, was auf dem Bauernhof selbstgemacht wird, hat auch für Feriengäste zum Zuschauen oder Ausprobieren seinen Reiz. So können Urlauber auf Mühl viertier Höfen Kreuzstichhandarbeit erlernen, Töpfern, Keramikmalen, Heukranzbinden und so weiter. Anderswo kann man unter Anleitung Schafwolle spinnen, färben, weben oder holzschnitzen.

Auch wer nicht lange bleiben kann, sozusagen nur „im Vorbeiradeln” ist, ist am Bauernhof zum Jausnen und zum Übernachten willkommen. Entlang des Donau-Radwanderweges zwischen Passau und Grein/St. Niko-la werden Radfahrer über kleine Abstecher auf der „Milchstraße” zu Bauernhöfen gelotst, die Quartier, Campingmöglichkeit und/oder Milchprodukte zur Stärkung anbieten.

Die oö. Landwirtschaftskammer unterstützt solche Initiativen mit fachlichem Rat und durch Ideenaustausch, heißt doch auch das Motto der österreichischen Fremdenverkehrswerbung 1996: „Lust aufs Land!”

Heu, nicht für die Kühe, sondern auch für die Gäste, bereitet ein Bio-landwirt im Innviertel vor. Sepp Zeilinger in Wippenham quartiert auf seinem Hof die Besucher für einige Stunden auf dem Heuboden ein. Er holt Gäste aus den Hotels und Pensionen im Innviertel oder im benachbarten Bayern zu einem entspannenden „Heubad” ab oder bucht für Streßflüchtlinge auf Wunsch auch Zimmer in den Bauernhöfen der Umgebung. Denn Zeit muß man sich für ein Schwitzbad im Heu und die folgende Entspannung nehmen.

Das Heu - es kommt aus dem Hochköniggebiet, denn dort wachsen besonders viele Kräuter, die bei Erwärmung ätherische Öle abgeben -hilft bei Streß, Verspannungen, Atem- und Gelenksbeschwerden. Die entschlackende Wirkung wird nach dem 45minütigen Schwitzen durch ein Glas frisch hergestellter Bio-Molke unterstützt. Dann soll der Gast ausgiebig ruhen.

Einem heimischen Produkt, dem Erdapfel, soll in Oberösterreich künftig in Anbau und Vermarktung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Davon profitiert auch der Tourismus. Schüler der Tourismusschulen Bad Leonfelden haben in einer Projektarbeit über die „tolle Knolle” alles Wissenswerte und Interessante zusammentragen und eine „Erdäpfelzeitung” und ein „Erdäpfelrezeptheft” herausgegeben. Sie kooperieren mit den „Landhotels” - das sind zumeist Familienbetriebe, die sich der regionalen Küche verschrieben haben - und animierten sie zu „Kulinarischen Erdäpfelwochen mit kulturellem Rahmenprogramm”.

Dafür, daß jeder - ob Gastwirt oder Hausfrau - auch die Erdäpfel in gleichbleibender Qualität erhält, sorgen vier regionale Zusammenschlüsse von Erdäpfelbauern: Vermarktet wird unter den Markenzeichen: Mühlviertler Hochland Erdäpfel, Sauwalderdäpfel, Freiwald Qualitätserdäpfel (biologisch), Salzkammergut Qualitätserdäpfel.

Als Geheimtip unter Erdäpfelfans und jenen, die ein paar Kilo loswerden

Erdäpfel-Pension Österreichs” im Almtal. Uli Haunschmid, die rührige Besitzerin des traditionsreichen Landgasthofes Ranklleiten in Petten-bach verdankt ihrer Idee eine Gästeauslastung von 80 Prozent (doppelt so hoch wie der österreichische Durchschnitt). Sie bekocht ihre Gäste mit schmackhaften, kalorienarmen Erdäpfelgerichten und wickelt sie zum Entschlacken und Entgiften in Erdäpfelpackungen. Erdäpfelverbrauch pro Jahr: Sieben Tonnen.

„Unsere Erdäpfel sind Österreich -weit das Superprojekt”, freut sich Manuela Jachs, „und es ist ein erster Schritt, regionale Produkte in gleichbleibend guter Qualität in die Speisekarten der heimischen Gastronomie zu bringen. Es muß ja nicht immer Hawaii-Schnitzel sein.” Natürlich bieten Oberösterreichs Wirte nicht nur Erdäpfel als heimische Spezialität an. Manuela Jachs leitet in der OÖ. Landwirtschaftskammer die „Grüne Börse”. Sie sitzt an der (Adressen-) Quelle. Bei ihr erfährt man alles über Bauernmärkte und Direktvermarkter bäuerlicher Produkte vom Schafkäs über Lammfleisch, Beef natur, Most, Schnaps und Kräutertee bis zu Krapfen und „bacherne Maus”. Sie und ihre Kolleginnen schulen auch die Bäuerinnen in der Herstellung von Veredelungsprodukten und deren Vermarktung und probieren neue Konzepte aus.

Ein vielversprechender Versuch, heimische Produkte verstärkt in die Gastronomie zu bringen, sind die „Bauernbuffets”. Der Gastwirt kann unter 40 Produkten der Region (Aufstriche, Salate, Erdäpfelkäs, Würste, Braten, Fischspezialitäten, hausgemachte Nachspeisen und so weiter) wählen. Er bekommt die Speisen fertig vom Bauernhof geliefert, arrangiert das Büffet und bietet es dem Gast als Produkt seines Hauses an. Auf glei -eher Basis ist auch ein bäuerliches Mehlspeis-Service denkbar.

Erfolgreich getestet in einem erstklassigen Linzer Restaurant wurde auch bereits ein sogenanntes Konve-nience-Service. Im konkreten Fall: Knödel in allen Variationen, die der Gastwirt nur noch garen muß. Halbfertigprodukte - nicht aus der Fabrik, sondern hausgemacht am Bauernhof.

Die Kooperationsmöglichkeit zwischen Wirtshaus und Bauernhaus ist noch ausbaufähig: Eine ideenreiche Bäuerin aus Neukirchen bei Lambach liefert zu den Büffets auf Wunsch die gesamte Blumendekoration, eine andere hat sich auf „Gemüsearrange.

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