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Die Bischofssynode 1969 in Rom

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Mit vielen, wie Kardinal Alfrink meinte, zu hohen Hoffnungen erwartet, ging die außerordentliche Bischofssynode am 28. Oktober zu Ende. War sie ein Erfolg, ein Mißerfolg? Die Urteile darüber gehen auseinander. In der „Zeit“ vom 31. Oktober heißt es: „Ein außerordentlich mageres Ergebnis, das klar zeigt, mit welchen vatikanisch-kurialen Realitäten die Kirche knapp vier Jahre nach dem Konzil bereits wieder rechnen muß.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 30. Oktober dagegen meint: „Die ,Sieger' der Synode, die gemäßigten Reformer, haben nun den Weg ein schönes Stück weit frei für die Verwirklichung der Kollegialität und damit der Solidarität, die nach ihrer Auffassung die katholische Kirche zusammehalten soll und kann.“

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Mit vielen, wie Kardinal Alfrink meinte, zu hohen Hoffnungen erwartet, ging die außerordentliche Bischofssynode am 28. Oktober zu Ende. War sie ein Erfolg, ein Mißerfolg? Die Urteile darüber gehen auseinander. In der „Zeit“ vom 31. Oktober heißt es: „Ein außerordentlich mageres Ergebnis, das klar zeigt, mit welchen vatikanisch-kurialen Realitäten die Kirche knapp vier Jahre nach dem Konzil bereits wieder rechnen muß.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 30. Oktober dagegen meint: „Die ,Sieger' der Synode, die gemäßigten Reformer, haben nun den Weg ein schönes Stück weit frei für die Verwirklichung der Kollegialität und damit der Solidarität, die nach ihrer Auffassung die katholische Kirche zusammehalten soll und kann.“

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Kardinal Suenens spricht von einem relativen Erfolg: man sei wenigstens, so sagt er in einem Interview für den „Avvenire“ vom 30. Oktober, ins dritte Stockwerk gelangt, aber der Kardinal möchte sich eine Wohnung im zehnten Stock mieten. Vielleicht hat er sie sich schon eingerichtet.

Die „römische Kurie“, Sündenbock für alles und jedes in der Kirche, schweigt, was vermutlich wieder so manchen Journalisten veranlassen wird, dahinter die Ausgeburt von Hinterlist und Heimtücke zu sehen. Was also war die Synode? Man wird sie ganz nüchtern als einen Erfolg bezeichnen können, wobei das Urteil, ob sie ein mehr oder weniger großer Erfolg war, verschieden sein kann. Ein Erfolg war die Art und Weise des Diskutierens. Das war um so gewichtiger, als der Papst bei allen Sitzungen der Synode bis auf zwei, an denen er durch die Generalaudienz verhindert war, zugegen war. Es wurde mit großem Freimut alles vorgetragen, und die Anwesenheit des Papstes hinderte die Bischöfe nicht, auch solche Dinge zu sagen, die den Papst unmittelbar betrafen und

fl ie keineswegs Lob für ihn waren. Der Papst seinerseits ergriff nie das Wort. . Darüber wunderten sich manche.- und; meinten: Wenn schon Dialog, dann hätte der Papst doch auch mitreden sollen. Vielleicht wird das später einmal möglich sein, im Augenblick aber ist die Freiheit der Diskussion sicher besser gesichert, wenn der Papst nicht das Wort ergreift. Wie es nun einmal ist, das gilt ganz gewiß nicht nur für die Kirche, entdecken dann zu viele, daß sie eigentlich die gleiche Meinung haben wie ihr Oberhaupt. Gerade daß der Papst geschwiegen hat, ist ein Zeichen dafür, daß er die Synode nicht manipulieren wollte, wie man vor der Synode immer wieder hören konnte.

Keine Manipulation!

Manipuliert war ganz gewiß auch nicht das Thema der Synode: das Verhältnis der Bischofskonferenzen zum Heiligen Stuhl und ihr gegenseitiges Verhältnis. Man hat sich empört, daß dieses Thema einseitig vom Papst bestimmt worden sei und daß die Bischofskonferenzen kein Mitspracherecht bei der Tagesordnung gehabt hätten. Das war natürlich ein Schönheitsfehler, der aber durch diese Synode für die Zukunft korrigiert wurde, insofern von nun an die Bischofskonferenzen Vorschlagsrecht für die Thematik der Synoden haben. Aber man sollte die Empörung auch nicht allzu hoch aufflammen lassen. Denn einmal hat der Papst dieses Thema ja nicht aus der Luft gegriffen, es bot sich ihm aus vielen Unterredungen mit den Bischöfen an. Zweitens wurde das Schema für die Synode auf Grund der von den Bischofskonferenzen eingegangenen Vorschläge erarbeitet. Und drittens ist die Behandlung dieses Themas geradezu die Grundlage für die Erörterung der nun anstehenden Sachfragen. Erst wenn einmal die Gestalt der Synode selbst — und sie ist ja ein Teil der Beziehungen der Bischofskonferenzen zum Heiligen Stuhl — klarer ist, dann kann eine solche Versammlung mit ganz anderem Gewicht über die Sachfragen sprechen als ein nach Belieben zusammengerufener Rat von Bischöfen. Es ist einfach nicht richtig, daß man durch diese Thematik die angeblich heißen Eisen in der Kirche, vor allem die Frage des

Zölibats und der Priester, umgehen wollte. Man sollte sich doch hüten, das Feuer um den Zölibat von solchen anheizen zu lassen, die gar kein Verständnis dafür aufbringen, weil sie im säkularisierten Denken verfangen sind. Man muß sie im gesamten der Problematik um den Priester heute sehen, gewiß eine ernste und schwere Frage. Aber die Diskussion um die Stellung der Bischofskonferenzen, um die Bischofssynode, um die praktische Verwirklichung der Kollegialität gibt die nötige Grundlage für eine Diskussion über den priesterlichen Stand, wenn man das veraltete Wort einmal gebrauchen darf. Und es kann gar kein Zweifel sein, daß diese Frage Gegenstand der nächsten Synode sein wird, die 1971 ab

gehalten werden wird. Kardinal Marty hat sicher die Meinung der allermeisten Bischöfe ausgedrückt, als er den Wunsch äußerte, daß diese Frage auf die Tagesordnung der nächsten Synode gesetzt werde.

Zur Art und Weise der Diskussion darf vielleicht noch gesagt werden, daß sie von einem brüderlichen Geist getragen war und daß alle Bischöfe erfuhren, was kirchliche Communio ist.

Last, not least kann, ohne die Wahrheit zu verfälschen, gesagt werden,

daß zum Erfolg der Synode auch die ausgezeichnete und offene Information der Presse beitrug. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes selbst. Der Erfolg hat ihm recht gegeben. Man hatte aus der ersten Synode gelernt, wo zwar nicht falsch, aber doch unzureichend informiert wurde, so daß die Presse mißgestimmt war und dies auch in entsprechender Behandlung der Synode äußerte. Diesmal war die Presse des Lobes voll. Es wurde ihr nur jede mögliche Auskunft gegeben. Diese Zufriedenheit der Presse wirkte sich wieder auf die Bischöfe aus, die zum erstenmal vielleicht einen Widerhall ihrer Arbeit in der öffentlichen Meinung spürten, was sie wieder zu großer Aufgeschlossenheit in der Sache beflügelte. Die offene und ausführliche Information der Presse hat sich ganz eindeutig zum Nutzen der Kirche ausgewirkt, und man kann nur hoffen, daß der Vatikan, wieder allein gelassen, diesen guten Stil beibehält. Die Kirche hat nichts zu fürchten von der Presse, wenn sie ihr offen begegnet.

Zu den sachlichen Ergebnissen der Synode ist zu sagen, daß sie tatsächlich, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ meint, einen Erfolg für die gemäßigten Reformer bedeuten.

Die Kollegialität

Die Thematik der Synode waren praktische Vorschläge zur Verwirklichung der Kollegialität. Bevor man jedoch zu diesen Vorschlägen kam, wurde eine theologische Einleitung diskutiert, die jedoch, von römischen Theologen ausgearbeitet, verworfen

wurde. Einen Bericht, den Kardinal Seper darüber gab und der schon manche Bemerkungen von Bischofskonferenzen berücksichtigte, überwies man zu weiterem theologischem Studium an eine vorerst nicht näher bestimmte Gruppe von Theologen. Kardinal Döpfner hatte dafür die internationale Theologenkommission vorgeschlagen, und viele andere Bischöfe schlossen sich ihm an. Aber in der Abstimmung hieß es nur, ob die Bischöfe einverstanden seien, daß die Relatio Seper noch theologisch

dieser unbestimmten Formulierung natürlich wenig zufrieden, aber es dürfte praktisch wohl dazu kommen, daß diese neue Theologenkommission wirklich damit befaßt wird, soweit dieses schwierige Problem überhaupt von einer so eng begrenzten Zahl von Theologen gelöst wer-

den kann.

Denn das Problem der Kollegialität ist theologisch noch wenig geklärt. Das Konzil hat in seiner dogmatischen Konstitution über die Kirche gelehrt, daß die höchste Autorität in der Kirche kollegialen Charakter hat; freilich mit dem Papst an der Spitze. Schon immer war die Frage, wie die beiden dogmatischen Tatsachen der göttlichen Stiftung des Primats und der göttlichen Stiftung des Episkopats miteinander zu vereinen seien, schwierig für die katholische Theologie. Die starke Betonung der kollegialen Natur der kirchlichen Autorität erhöht diese Schwierigkeit insofern, als nun die Frage entsteht, die Kardinal Döpfner und Bischof Vonderach am klarsten in der Diskussion stellten: Ist die Beteiligung der Bischöfe an der Leitung der Gesamtkirche nur so zu verstehen, daß sie eine Hilfe für den Papst bei der Ausübung seines Amtes, also des Primats, sind, oder haben die Bischöfe eine eigenständige Aufgabe, die nicht einfach als eine subsidiäre Hilfe für den Primat angesehen werden kann? Je nachdem man die Frage beantwortet, ergeben sich auch juridische Folgerungen für die Leitung der Kirche, die mit dem „Geist der Kollegialität" noch nicht gezogen sind. Aber die Synode war sichtlich überfordert mit dieser Frage, und worauf das Konzil keine klare Antwort gegeben hatte, konnte auch sie nicht antworten Sie tat deswegen das einzig Richtige: Sie überwies die ganze Frage den Theologen.

Erfolgreiche Praxis

Dafür war sie in den praktischen Vorschlägen um so erfolgreicher. Und es gereicht der deutschen Sprach

gruppe zur Ehre, daß eigentlich die meisten ihrer Vorschläge verwirklicht werden. Zur Diskussion der vielen von den Bischofskonferenzen eingegangenen Vorschläge hatte man zunächst neun Sprachgruppen gebildet, von denen die deutsche die kleinste war. Ihr Vorsitzender war Kardinal Döpfner, ihr Berichterstatter, der dann bei der Ausarbeitung der an die Synode zu stellenden Fragen dabei war, Kardinal König.

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Synode ist zweifellos, daß in Zukunft

Papst und Bischöfe bzw. die Bischofskonferenzen wichtige, den Glauben und die Sitten betreffende Erklärungen vorher miteinander abstimmen. Ursprünglich waren das zwei Vorschläge gewesen, jeder vom anderen getrennt. Aber die deutsche Sprachgruppe hatte vorgeschlagen, daraus einen einzigen Vorschlag zu machen, damit diese gegenseitige Befragung als ein gemeinsamer Akt des Bischofskollegiums erscheine, also ein einziger Vorgang in der Gesamtkirche, auch wenn jeweils von verschiedenen Trägern ausgehend. Dieser Vorschlag erhielt von 143 Stimmberechtigten 110 Jastimmen bei nur 4 Neinstimmen und 3 Enthaltungen. 26 sogenannte Modi, die zusätzliche Wünsche ausdrücken, gehen vermutlich in die Richtung, daß dabei die Freiheit des Papstes unangetastet bleibe. Aber die wollte ja sowieso auch keiner von denen antasten, die der Meinung sind, daß wichtige Enzykliken vor ihrer Veröffentlichung mit den Bischöfen besprochen werden. Man kann sich aber so einige Verlegenheiten ersparen, wie die jüngste Erfahrung gezeigt hat. Aber die deutsche Sprachgruppe wollte das nicht als einen einseitigen Vorgang aufgefaßt wissen; sie schlug vor, daß umgekehrt auch die Bischofskonferenzen den Papst konsultieren sollen und daß dies als eine Einheit kollegialer Aktivität erscheine.

Auch was über die Bischofssynode abgestimmt und vom Papst in seiner Schlußansprache bereits vor der Abstimmung bestätigt wurde, entspricht ziemlich genau dem, was die deutsche Sprachgruppe vorgeschlagen hatte. Erstens: Schaffung eines arbeitsfähigen, ständigen Sekretariats mit einer bischöflichen Zentralkommission, die von der Synode gewählt wird, wobei natürlich für die nächste Synode die Schwierigkeit besteht, die Mitglieder von der Synode wählen zu lassen. Dieses Sekretariat soll die Arbeiten der nächsten Synode vorbereiten und zusehen, daß die Abstimmungen der letzten Synode verwirklicht werden. Die Mitglieder der Bischofskommission aber sollen als eigentliches Organ der Synode diese Arbeiten vorantreiben. ZW ftehs:'Wird die Synode in Zukunft regelmäßig alle ' zwei Jahre abgehalten werden, wobei der Papst von den Vorschlägen der Diskussion insofern abging, als er sich vorbehielt, eine der verschiedenen Formen der Synode, allgemeine, außerordentliche oder besondere, einzuberufein, während die Synode selbst eher für die regelmäßige Einberufung der allgemeinen Synode war. Das dritte war, daß die Bischofskonferenzen in Zukunft Themen für die Synode vorschlagen können. Damit dürfte in Zukunft eine noch intensivere Mitarbeit der Bischofskonferenzen an der Vorbereitung der Synode gesichert sein. Die Bischofssynode wird auch in Zukunft keine Entscheidungen und Beschlüsse fällen können, sie wird ein rein beratendes Organ bleiben. Manche sehen darin den eigentlichen Mißerfolg der Synode. Man muß das jedoch auf dem Hintergrund der noch nicht ausgetragenen theologischen Diskussion sehen. Solange die oben erwähnte Frage noch nicht klar ist, wird auch diese Frage nur schwer zu entscheiden sein. Überdies ist zu bedenken, daß die Synode kein Konzil ist, das zweifellos Beschlüsse fällen kann. Und man kann sich ruhig einmal die Frage stellen, ob es gut ist, wenn es neben dem Konzil ein zweites Organ gibt, das Beschlüsse fällen kann. So einfach, wie sich das manche vorstellen, liegen die Dinge gewiß nicht.

Der Schritt, den die außerordentliche Bischofssynode gegenüber der ersten allgemeinen vor zwei Jahren vollzogen hat, ist gewiß bedeutend und führt ganz sicher dazu, daß die Kollegialität in der Kirche sichtbarer wird.

Alles wird freilich darauf ankommen, daß dieser Geist der kirchlichen Communio, oft beschworen in der Synode, nun auch in den Diözesen wirksam werde, daß der Bischof für seine Diözese das wird, was nach den Worten Pauls VI. der Papst für die Gesamtkirche sein soll: eine Wegkreuzung der Liebe, ein Ort also, wo die Straßen der Liebe zusammenkommen und auseinandergehen, damit die ganze Kirche jene Versammlung der Liebe werde, die sie sich seit den ältesten Zeiten nennt

vertieft werden solle. Man war mit

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