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Läßt sich das Toto verbessern?

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Diese Frage wurde im Radioparlament am 19. Juni 1953 lebhaft diskutiert und endete mit dem Wunsch des Diskussionsleiters Doktor Brier, die kompetenten Regierungsstellen mögen die vorgebrachten „Feststellungen“ nicht unbeachtet lassen.

Am 19. Dezember 1953 erschien in der „Furche“ ein Reformvorschlag von Dr. Hans Heisig, der eine Prüfung und Stellungnahme der Fachleute verdienen würde. Und am 9. Jänner d. J. schrieb Dr. Str., Wien I, im gleichen Blatt, daß er den obenerwähnten Vorschlag freudig begrüße.

Nun ist es wieder still, sehr still geworden, und von einer erhofften Stellungnahme der Fachleute ist nichts zu vernehmen. Es drängt sich daher die Frage auf, warum die Fachleute zu einer Aenderung bzw. Verbesserung des Totos schweigen? Eines ist sicher, daß alle am Toto interessierten Kreise durch den großen finanziellen Erfolg desselben überrascht waren. Gewiß, man hoffte dem Sport im allgemeinen finanzielle Hilfe zu bringen, aber eine Förderung in einer derartigen Weise überraschte alle am Sport Beteiligten, vielleicht am meisten den Gesetzgeber! Denn hätte er mit solchen Summen gerechnet, so hätte er nie gesetzlich verfügt, daß das Erträgnis nur dem Sport allein zufließen dürfe.

Als die breite Oeffentlichkeit erfuhr, welche Summen dem Sport zuflossen, wurden sofort Stimmen laut, die dies ganz und gar nicht billigen wollten. Aber alle Aenderungs- vorschläge mußten daran scheitern, daß eine

Aenderung nur im Gesetzeswege möglich ist. Und wer soll diese Gesetzesänderung im Nationalrat beantragen?

Bevor auf diese Frage näher eingegangen werden soll, ist es nötig, einige nicht unerhebliche Feststellungen zu machen. Der Zweck dieser Zuwendungen, das große Ziel, ist die Förderung des österreichischen Amateursportes. Ja, gibt es denn heute in Oesterreich überhaupt einen Amateursport? Kaum, jedoch bestimmt nicht bei Sportveranstaltungen, wie Fußball, Tennis, Skilauf, um nur ganz wenige Sportzweige anzuführen. Wovon leben z. B. unsere prominenten Fußballer, da sie doch keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen können? Oder glaubt man wirklich, daß ein Tenniscrack neben einem tatsächlichen Beruf noch ausreichend Zeit für das Training und für wochenlange Auslandsstarts finden könnte? Fast alle „Prominenten des Sportes“ leben vom Sport, so gut, als es eben die Vereinskassen gestatten, die einen besser, die anderen schlechter. Amateure, was man darunter verstehen müßte, gibt es heute nur wenige mehr. Unter dem Decknamen „Amateursport“ werden Vereinen und Verbänden Summen zugewiesen, zu dem alleinigen Zweck, „Berufsamateure“ heranzubilden, um diese dann, wie z. B. im Fußballsport, gegen eine entsprechend hohe Ablösesumme an zahlungskräftige Vereine zu verkaufen. Seitdem der Sport als Beruf ausgeübt wird, sind naturgemäß auch die geforderten Leistungen enorm angestiegen. Und die Folge davon ist,

daß, um eine solche verlangte „Spitzenleistung“ zu erreichen, eine Sportausübung in der Freizeit allein ganz unzulänglich ist. Im Gegenteil, man muß hierfür den Sport zum alleinigen Beruf erheben. Aber Millionen dafür aufzuwenden, um auf Umwegen Berufssportler heranzubilden, entbehrt jeder Logik. Wenn ein Bedarf an Berufssportlern bestehen sollte, dann muß es Sache der einzelnen Sportverbände sein, die hierfür benötigten Mittel aus eigenem aufzutreiben, denn die Zeit ist längst vorbei, in der man Sport und alle mit dem Sport verbundenen Arbeiten aus reiner Begeisterung betrieben hat.

Dem Reformvorschlag von Dr. Heisig liegt der Gedanke zugrunde, nicht dem Sport etwas wegzunehmen, sondern durch Erweiterung des Totos neue Spieler und somit neue Einnahmen zu erschließen, die dann allerdings entsprechend der Verfügung des Totospielers zu verwenden sind. Die technische Durchführung des Vorschlages wäre ohne Schwierigkeiten realisierbar. Also: Wer steht einer Aenderung des Totos ablehnend gegenüber? Offenbar alle diejenigen, die vom Sport effektiv leben oder irgendwelche Vorteile genießen, auch wenn sie bloß in Form von Sonderbegünstigungen bei Sportveranstaltungen bestehen. Sie befürchten, daß nun der Totospieler, falls er ftei entscheiden kann, seinen Spieleinsatz einmal auch einem anderen Zweck zuwenden könnte. Für die neu hinzukommenden Totospieler würde dies wohl zutreffen, was doch letzten Endes der Sinn der Aenderung sein soll.

Wer könnte also wirklich eine Aenderung vornehmen? , Nur die gewählten Volksvertreter! Es muß hier festgehalten werden, daß ein Großteil der Bevölkerung für eine Aenderung ist, aber keinen Weg sieht, ihren Willen eindeutig der Volksvertretung zu manifestieren. Es kann doch nicht jeder einzelne einen Brief an eine politische Partei oder eine Zeitungsredaktion schreiben, worin er eine Totoänderung verlangt. Wenn also die politischen Parteien an die.ser ohne Zweifel mehr als be- rechtigten Forderung einer Novellierung des Sporttotogesetzes scheinbar achtlos vorbeisehen, so kann dies seinen Grund darin haben, daß die „Sportinteressen“ eip Wahlkontingent darstellen, welches keine Partei verlieren möchte. Doch bei objektiver Betrachtung verschwindet diese Befürchtung, denn welcher politischen Partei könnte sich der „verstimmte Sportinteressent“ zuwenden, wenn alle Parteien die Novellierung gemeinsam beschließen? Oder sollten alle politischen Parteien indirekt Interessenten des Sportes sein? Es scheint somit, daß die breite Masse der Bevölkerung in dieser Sache nichts unternehmen kann und daß das Sporttotogesetz eines der wenigen Gesetze sein sollte, das, obwohl es nicht mehr der Meinung des Volkes entspricht, keine Aenderung erfahren darf. Aber dies trifft nicht zu, im Gegenteil.

Unter der Annahme, daß die politischen Parteien nichts unternehmen wollen, wären folgende Möglichkeiten zu erwägen: Erstens: Die Redaktion einer führenden Tages- oder Wochenzeitung veranstaltet eine Rundfrage an ihre Leser, die mit einfacher Postkarte die Frage „Sporttotoänderung — ja oder nein“ zu beantworten hätten. Ergibt diese Rundfrage ein entsprechendes Resultat, woran bei sachgemäßer Formulierung der Rundfrage kaum Zweifel bestehen, so wäre ein Volksentscheid der folgerichtige Abschluß. Oder zweitens: Da doch niemand behaupten kann, daß die Totoidee eine Erfindung des österreichischen Amateursportes sei — im Gegenteil, die Idee wurde vom Ausländ iiberrtommen —, wäre es ohne weiteres denkbar, daß die zusammengeschlossenen wissenschaftlichen Institute, Kunst- und Sozialvereinigungen einen eigenen Toto verlangen, wie diėš bereits für den kleinen Interessentenkreis des Pferdetotos geschehen ist. Auf diese Weise würde ein Teil der Bevölkerung dem Sport, ein anderer Teil der Wissenschaft, Kunst und Caritas seine Unterstützung zuwenden.

Wie immer auch die Ehtscheidung ih be- zUg äuf die Aertderühg des Spotttotos ausfallen Wird, eines ist gewiß: äm Ende der Diskussionen uhd Verhandlungen Wird ein novellierter „Oesterreichischer Toto“ stehen.

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