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Ein neues Biedermeier ?

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Wiens Stadterneuerungs-fonds will das Renovieren alter Häuser leicht machen. Die Bewohner eines alten Biedermeierhauses in der Leopoldstädter Karmelitergasse mußten dabei unzählige Hindernisse überwinden.

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Wiens Stadterneuerungs-fonds will das Renovieren alter Häuser leicht machen. Die Bewohner eines alten Biedermeierhauses in der Leopoldstädter Karmelitergasse mußten dabei unzählige Hindernisse überwinden.

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Die Bewohner des Hauses Nr. 5 in der Wiener Karmelitergasse können gewissermaßen als Vorreiter des Stadterneuerungsfonds angesehen werden. Als dieser von ÖVP und SPÖ im März 1984 beschlossen wurde, bezogen sie gerade ihr revitalisiertes 200 Jahre altes Pawlatschenhaus.

Die Idee des Projektes stammt von dem Wiener Stadtplaner Wolf Werdigier: Seiner Vorstellung nach sollten mehrere Familien ihren unmittelbaren Lebensraum selbst verwalten. Im Jahr 1979 entdeckte er mit Hilfe von Freunden ein geeignetes Objekt. Das Haus sollte nur einige Minuten vom Stadtzentrum entfernt sein und in der Nähe gelegene Einkaufsmöglichkeiten und Schulen bieten.

Das alte Haus stand auf einem 900 ml großen Grundstück und umfaßte acht Kleinwohnungen und zwei Gassenlokale. Es stand seit sechs Jahren leer und sollte abgerissen werden. Doch bereits die Kaufverhandlungen gestalteten sich schwierig, und erst als sich der damalige Kulturstadtrat Helmut Zilk einschaltete, konnte der Kaufpreis auf 2,4 Millionen Schilling reduziert werden.

Finanziert wurde das Sanierungsprojekt im Rahmen der Altstadterhaltung mit Mitteln aus der Wiener Dachbodenaktion und dem großen Wohnungsverbesse-rungsdarlehen sowie mit Darlehen der Raiffeisen-Bausparkasse. Die Nettobaukosten beliefen sich auf zwölf Millionen Schilling, das sind 40 Prozent mehr als ursprünglich geplant waren. Rechnet man das auf den Quadratmeter um, so beträgt der Preis 13.900 Schilling. Diese enorm hohen Kosten sind der Grund, weshalb das revitalisierte Pawlatschenhaus nur als Pilotprojekt betrachtet werden kann.

Doch auch die bautechnische Realisierung gestaltet sich kompliziert. Erst während der Bauarbeiten entdeckte Schäden führten zu Umplanungen, Kostenerhöhung und Bauverzögerung. (Die Bauzeit dauerte über zwei Jahre.) Das Haus wurde im Inneren komplett ausgeräumt, nur die Fassade blieb erhalten.

Den sechs „Stadterneuerern“ gelang gemeinsam mit dem Architekten Walter Stelzhammer eine Rarität, die Österreichs erster Architekturkritiker, Friedrich Achleitner, sogar in seinem Architekturführer beschreiben will.

Jede Wohnung des Hauses überrascht den Besucher mit großen und kleinen Details: sie sind zum Teil zweigeschossig, was den Architekten in einem Fall zum Brückenbauer werden ließ. Ein anderer Bewohner bekam eine riesige Dachterrasse auf einem einstöckigem Anbau. Die alten Pawlatschen dienen wie früher als Zugang zu den einzelnen Wohnungen und gestalten gleichzeitig die Hoffassade. Zwei verglaste Holz-Glaskonstruktionen an der Hofseite dienen als Wintergärten.

Kinder, auf die man beim „sozialen Wohnbau“ so gerne vergißt, haben im Hof genug Platz zu spielen. Der hauseigene Kindergarten, der von den Eltern selbst geleitet wird, steht auch den Nachbarkindern zur Verfügung, während die Eltern im allen offenen Gemeinschaftsraum feiern oder Kulturveranstaltungen abhalten können.

Um solche Projekte der Altstadtsanierung zu fördern, wurde von der Gemeinde Wien (gemeinsam von SPÖ und ÖVP) der Stadterneuerungsfonds gegründet. Dieser im März 1984 beschlossene Fonds soll helfen, in Zukunft Stadterneuerung en gros möglich zu machen. Bis jetzt nämlich war es wegen der bürokratischen Hürden nur in kleinem Rahmen möglich.

Konkret sollen vor allem zwei Dinge mit Hilfe des Fonds erreicht werden:

• Alle Einzelmaßnahmen (das Haus in der Karmelitergasse ist nicht das einzige Projekt in Wien) im Rahmen der Stadterneuerung sollen koordiniert werden.

• Bei der Uberprüfung der einzelnen Projekte soll gewährleistet werden, daß der Zugang zu den Möglichkeiten unbürokratisch verläuft. Außerdem hat der Fonds auch dort einzugreifen, wo die Stadterneuerung nicht aus eigener Kraft von den Betroffenen durchgeführt werden kann.

Bleibt zu hoffen, daß den Initiatoren des Fonds so schöne Revitalisierungen wie in der Karmelitergasse gelingen, denn wer dort einmal zu Besuch war, möchte das gemütliche Haus nicht mehr verlassen.

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