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Horuck“ für den Sonnenkönig

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„Wir demokratischen Sozialisten haben Grund zum Feiern, und deshalb werden aus allen Städten und Dörfern Österreichs, von den Bergen und Tälern in diesen Maitagen Gesinnungsfreunde zusammenkommen, um ihrer Freude sichtbaren Ausdruck zu geben. Aber diese Maitage sollen auch ein Aufruf sein, der SPÖ im Herbst dieses Jahres erneut ein solches Maß an Vertrauen zu geben, daß sie ihre Aufgabe weiterführen kann, Österreich zur sicheren Heimat seines Volkes zu machen.“

Mit diesem Auszug aus der Festschrift der SPÖ zu den „Maitagen 1975“ ist die Strategie klar umrissen: Maifeiern ja, aber nicht im alten klassenkämpferischen Gewand, nicht mit fordernden Transparenten, nicht mit aufputschenden Reden auf dem Rathausplatz, nicht als Konfrontation Staat—Sozialdemokratie, sonder als Präsentation der SPÖ als staatstragende Partei, als Identifikation Partei — Regierung — Staat.

Dieser geänderte Stil wird vordergründig im Festprogramm deutlich:

neben den traditionellen Veranstaltungen (Fackelzug, Maiaufmarsch), mit denen wohl in erster Linie die „alte SP-Garde“ angesprochen werden sollte, wird — mit gezielter Blickrichtung auf potentielle SP-Wähler — ein zusätzliches Programm geboten: Eine Leistungsschau der Partei und befreundeter Organisationen im Wiener Messepalast, eine Sondervorstellung der „Zauberflöte“ in der Wiener Staatsoper, eine musikalische Komödie im Theater an der Wien, eine „bunte Veranstaltung“ „Wien grüßt die Bundesländer — die Bundesländer grüßen Wien“ in der Stadthalle, Rundfahrten „Neues Wien“ und — last, but not least — als staatstragender Paukenschlag eine Monsterveranstaltung vor dem Schloß Schönbrunn mit Olof Palme, Bruno Kreisky, Anton Benya und Leopold Gratz. Der historische Friedensschluß, den der Handschlag Kreisky-Otto Habsburg vor Jahren eingeleitet hat, sollte nunmehr vor Fischer von Er-lachs Fassade Genossen und NichtGenossen deutlich manifestiert werden.

Die Blickrichtung 5. Oktober ist klar erkennbar, für die Regierungspartei sollte dieser 1. Mai — offiziell oder inoffiziell — dar Wahlkampfauftakt sein. Die Regie hat geklappt und der Tenor „SPÖ wirbt um volles Vertrauen“ („Arbeiter-Zeitung“) zieht sich wie ein (blaß)roter Faden durch die ganze Veranstaltungsserie. Der Maiaufruf der SPÖ schloß mit einem Appell, auch in Zukunft für

schenwürde, Sicherheit und Humanität? Der Bürger kann sich am 5. Oktober bedenkenlos für diese SPÖ entscheiden, sie hat unter Bruno Kreisky offensichtlich ihre alten Attribute über Bord geworfen und präsentiert sich liberal und humanistisch als wohl einzig fortschrittliche Alternative in Österreich, der die konservativen Sumperer in der Volkspartei nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen haben.

Die alten Wahlplakate und Slogans gehören der Vergangenheit an, der Sonnenkönig Kreisky („L'etat c'est moi“) steht unangefochten an der Spitze einer Partei, die sich nicht mehr sozialdemokratisch, sondern eher sozial und demokratisch präsentiert; es dürfe kein Zurück ins Gestern, sondern nur ein „Horuck“ (so das neue SPÖ-Plakat) in eine neue Gesellschaft geben. Eine neue Gesellschaft, die nur die SPÖ garantieren kann, denn alle anderen sind „Ewig-Gestrige“, Konservative (im deteriorierenden Sinn) und Bremse-.

Die Abschreckung für den Bürger hat nicht stattgefunden; präzise hat Wiens Bürgermeister Gratz die Intention des 1. Mai 1975 wiedergegeben, als er sagte: „Die Wiener Sozialisten ziehen nicht mehr über die Ringstraße zum Rathaus, um mit einer mächtigen Demonstration Forderungen bei den Herrschenden durchzusetzen. Sie ziehen heute vielmehr stolz über den Ring.“ Koch deutlicher ein Transparent: „Fünf Jahre Sonne über Österreich durch die Regierung Kreisky.“ Forderungen an diese Regierung darf es keine geben; sie wären auch sinnlos, da wir

ohnehin auf einer Insel der Seligen leben dürfen.

Im Sinne eines bequemen Pragmatismus wird ein Schauspiel krasser Entideologisierung abgezogen; das Grundsatzprogramm wird verschämt in der Schublade unter Verschluß gehalten und nur SP-Rand-erscheinungen, wie etwa der VSStö oder die „Junge Generation“ lassen vereinzelt ein Stück Sozialismus an-tönen. Was tut's? Auch diese kleinen Gruppen haben ihren bescheidenen Platz in der großen Mutterpartei, und sollte ihr Ruf nach mehr Sozialismus und weniger Opportunismus von Zeit zu Zeit zu stark werden, dann werden sie mit schöner Regelmäßigkeit zurückgepfiffen. Vergessen sind Fristenlösung, ORF-Reform und UOG.

Wie hieß es doch so treffend anläßlich eines Wahlkampfes im benachbarten Deutschland? „Die SPD — die beste CDU, die es je gab!“

Der Wahlkampf in Österreich hat begonnen. Die SPÖ als beste ÖVP die es je gab?

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