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Staatssekretär dreier Päpste

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Am 9. März starb in Rom Jean Kardinal Villot an der Folge einer schweren Grippeerkrankung im Alter von 73 Jahren. Mit dem hochgewachsenen, schlanken, stets diskret zurückhaltenden, aber zielbewußt auftretenden Kardinal verliert die katholische Kirche eine der bedeutsamsten, zugleich schwer zu charakterisierenden Persönlichkeiten im Kardinalskollegium, das nunmehr 121 Mitglieder zählt. Jean Villot wurde am 1. Oktober 1905 in Saint Amant-Tallende in der Auvergne geboren.

Nach der Matura studierte Villot zunächst am Institut Catholique in Paris, danach in Rom, wo er an der päpstlichen Dominikaneruniversität (Angelico) in Kirchenrecht promovierte. Er lehrte zunächst fünf Jahre am Priesterseminar von Amant-Tallende und wurde dann auf den Lehrstuhl für Moraltheologie an der theologischen Fakultät der Universität von Lyon berufen. Von 1950 bis 1960 entfaltete er eine intensive Tätigkeit als Sekretär der französischen Bischofskonferenz.

1954 wurde er von Pius XII. zum Weihbischof von Paris ernannt, 1959 zum Koadjutor des Kardinals Gerlier. Als dessen Nachfolger nahm ihn Papst Paul VI. am 22. Februar 1965 -als jüngstes Mitglied des französischen Episkopats - in das Kardinalskollegium auf und berief ihn zwei Jahre später zum Präfekten der römischen Kongregation für den Klerus. 1967 ernannte er ihn zum Kardinalstaatssekretär - nach Merry del Val der erste Nichtitaliener in diesem zweitwichtigsten Amt der katholischen Kirche.

„Die Kirche will nicht bedient werden, sondern dienen“, erklärte Kardinal Villot bei seinem ersten Kontakt mit dem diplomatischen Korps. Diese Worte könnte man als Leitspruch seines Lebens und Wirkens verstehen. Er war ein Mensch des diskreten, aber zielbewußten Dienstes, ein Mann der Dossiers, der, wie ein Kenner einmal sagte, „Vorsitzender I

eines Verwaltungsrates hätte sein können“.

Zugleich war er ein entschiedener Verfechter der Lehren und Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils und als solcher ein Vorkämpfer für die Erneuerung und Öffnung der Kirche. Bereits während seines seelsorglichen Wirkens in Frankreich kam er mit den modernen Strömungen der Kirche in enge Beziehung.

Schon damals zeigte sich Villot als ein den neuen Entwicklungen aufgeschlossen, aber kritisch gegenüberstehender Bischof, der entschieden aufzutreten vermochte. Als die französischen Bischöfe von integralisti-schen Kreisen der Häresie verdächtigt wurden, wies Villot diesen Vorwurf entschieden zurück.

Vor allem wegen dieser aufgeschlossenen und zugleich vornehmkritischen und entschiedenen Haltung erwarb Villot in außergewöhnlichem Maße das Vertrauen Pauls VI., was sich vor allem in seiner Ernennung zum Camerlengo der römischen Kirche niederschlug, einem Amt, dem vor allem in Zeiten einer Sedisvakanz eine Schlüsselstellung zukommt. Als Camerlengo lernte die Öffentlichkeit ihn während der beiden Sedisvakanzen im Herbst des vergangenen Jahres kennen.

Da Villot in den beiden letzten Konklaven der ranghöchste Kardinal war, leitete er auch diese beiden bedeutenden Wahlversammlungen. Johannes Paul I. berief ihn von neuem zum Kardinalstaatssekretär; nach der Wahl des polnischen Kardinals Wojtyla zum Papst riet Villot von seiner neuerlichen Bestellung ab, um den Platz für einen Italiener frei zu machen. Der neue Papst hingegen wollte zumindest „in der ersten Zeit“ seines Pontifikates auf seine Mitarbeit nicht verzichten und ernannte ihn von neuem zum Kardinalstaatssekretär. Auf diese Weise war Villot vielleicht der einzige in der Geschichte, der nacheinander drei Päpsten als Kardinalstaatssekretär diente.

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